München, 19.12.2022
Die „Strompreisbremse“ hat es gebracht: Mit der Ausschusssitzung vom 14.12.2022 des Ausschusses für Klimaschutz und Energie (25. Ausschuss) des Bundestages wurde am 15.12.2022 im Bundestag noch eine Änderung eingeführt, die auch am 16.12.2022 im Bundesrat bestätigt wurde und die nächsten Tage als Gesetz verkündigt wird: Es gibt eine „Notversorgung“ von Kunden außerhalb der Grund- und Ersatzversorgung innerhalb der Mittelspannung- und Mitteldruckebene für die Zeit bis 28.02.2023, sollte ein solcher Kunde keinen Vertrag zum 01.01.2023 mit einem Lieferanten haben! Die Versorgung erfolgt über den bisherigen Versorger, der den Kunden zum 31.12.2022 (oder bis zum 31.01.2023) versorgt hat!
Hintergrund
Wie bereits beschrieben (siehe unseren Beitrag hier) hat der Bundesgerichtshof gerade noch in diesem Jahr entschieden, dass diejenigen Kunden, die keinen Lieferanten vorweisen können und nicht in die Grund- oder Ersatzversorgung fallen, keinen Anspruch auf Weiterbelieferung durch den Netzbetreiber, bzw. Grund- oder Ersatzversorger haben.
Derartige Kunden hätte es ggf. zum Jahreswechsel nun einige gegeben (uns sind konkret bis heute keine mehr bekannt), wenn deren bisheriger oder neuer Versorger die Belieferung aufgrund der hohen Preise und damit verbundenen Marktrisiken abgelehnt hätten. Insbesondere die Ausgleichsenergiekosten bei Abweichungen von prognostizierten Mengen und Leistungsspitzen oder – tälern seien durch die Versorger kaum noch versicherbar gewesen. Auch mangelnde Bonität der Kunden bei immer höheren Ausfallrisiken waren Kriterien für fehlende Angebote.
Diese Kunden wären dann zum, 01.01.2023 ohne Liefervertrag und, da es sich um Unternehmen handelt, ggf. auch kurzfristig vom Netz genommen worden.
Gesetzgeberische Lösung
In einer kurzfristigen Aktion hat der Gesetzgeber daher einen neuen § 118c EnWG geschaffen, der nun im Strompreisbremse-Regelungspaket („Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen“, siehe BR-DS 663-22, hier, Seite 57 f) zu finden ist: Der Anschlussnetzbetreiber für Gas und Strom eines Kunden, der nicht Grund- oder Ersatzversorgungsberechtigt ist und sich in der Mittelspannungs- oder Mittedruckebene befindet (ggf. auch in der Umspannebene, wenn dort keine Grund- und Ersatzversorgung angeboten wird), teilt dem bisherigen Versorger mit, dass dieser Kunde keinen Anschlussvertrag bei einem anderen Versorger hat und teilt diesen Kunden dem bisherigen Versorger zu (die Bundesnetzagentur hat für dieses Vorgehen bereits die Prozesse mitgeteilt, hier. dies wird außerhalb der Regelkommunikationsprozesse, also „bilateral“ stattfinden).
Der neue / alte Versorger muss dann den Kunden grundsätzlich bis 28.02.2023 weiter beliefern. Hierbei gilt aber:
- Es kann (theoretisch, wenn die Systeme das „hergeben“) täglich die Gas- oder Stromlieferung abgerechnet werden.
- Es kann Vorauskasse bis zu fünf Tage im Voraus verlangt werden.
- Der Preis dieser „Notversorgung“ darf die Kosten für die „kurzfristige Beschaffung der für die Notversorgung erforderlichen Energiemengen über Börsenprodukte“ sowie Beschaffungsnebenkosten zzgl. 10 % Aufschlag nicht überschreiten (Welche Rolle die Leistungspreise hier spielen, wurde nicht berücksichtigt), zzgl. aller Abgaben, Umlagen, Steuern und sonstigen „bisherigen Preiselemente“ nicht übersteigen.
- Bei Zahlungsverzug um mehr als zwei Tage ist eine fristlose Kündigung möglich (fraglich ist, ob das Zahlungsziel des § 40c Abs. 1 EnWG gelten muss).
- Die Kündigungsfrist ist unmittelbar bei neuem Vertragsabschluss des Notversorgten (also jederzeit).
- Der Versorger kann die Zuordnung nur ablehnen, wenn er zum 01.01.2023 das Geschäft als Versorger ein(ge)stellt (hat) oder die Versorgung wirtschaftlich – insbesondere in Hinsicht der Zahlungsfähigkeit des Kunden – nicht zumutbar ist…
Persönliche, erste Einordnung der Notversorgung
„Gut gedacht ist oft das Gegenteil von gut gemacht.“ Natürlich ist es einfach in dieser Situation zu „meckern“, aber der Gesetzgeber hätte auch andere Lösungen heranziehen können, um die bereits seit dem Spätsommer bekannte Situation zu lösen: So hätte man wieder die Grund- oder Ersatzversorger einspringen lassen können. Diese haben in der Vergangenheit das Geschäft gerne mitgenommen, sind jetzt aber extremen Belastungen ausgesetzt. Dann hätte man sich aber auch überlegen können, ob der Bund Sicherheiten und / oder Bürgschaften für lokale Energieversorger, bzw. Grund- und Ersatzversorger, ausspricht, die ohnehin meist kommunal beherrscht sind und die Aufgabe dort am besten leisten können.
Nunmehr tragen die Versorger in diesem Segment, die ohnehin in 2022 bereit waren, diese Kundengruppe noch zu beliefern, weitere Risiken. So sind einige lokale Versorger bereits seit Jahren aufgrund der schwindenden Margen und hohen Risiken in diesem Segment oft nicht bereit, entsprechend Kunden dauerhaft zu beliefern (ausgenommen als Ausfallversorger, wie oben, wenn die Ausfallpreise entsprechend höher als der Markt waren).
Die Frage, ob ein Kunde „wirtschaftlich zumutbar“ für einen Versorger ist, werden dann die Versorger und die Netzbetreiber vor Ort klären, denn letztere entscheiden dann, ob sie den Kunden dem „alten / neuen“ Notversorger zuordnen. Dabei ist das Interesse des „lokalen“, meist kommunal beherrschten Netzbetreibers bei lokalen Unternehmen in Versorgungsnot gegenüber überregionalen Lieferanten, die aktuell diese Kunden beliefern, offensichtlich.
Fraglich ist für mich die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Schritts und auch, ob diese Pflicht nicht ein Verstoß gegen europäisches Beihilferecht darstellt.
Dennoch, das Ziel ist lobenswert: das lokale Unternehmen soll nicht aufgrund der Preiskapriolen in Not geraten.
Michael Hill
Partner
Pingback: Preisbremsegesetze sind veröffentlicht! Zuteilung zur Notversorgung startet ab morgen! | Blog der ensight Legal Tax Consulting