Problemfeld Preisbremse („PFP“), Teil 1: Die „Versorgung“ von Strom innerhalb von Kundenanlagen


München, 23.02.2024: Die Kanzlei möchte einige Themen der Preisbremse ansprechen, um auch Bewusstsein für die Komplexität und den immensen Aufwand bei der Bearbeitung der Preisbremsen, jetzt vor allem in der „Nachlese“ und Vorbereitung der Testierungen zu geben. Hierfür werden wir die Reihe „Problemfeld Preisbremse“, kurz PFP, einführen, um Detailfragen mit riesigen finanziellen Auswirkungen zu behandeln. „Happy to discuss“. Heute führen wir zum Thema „Stromversorgung innerhalb von Kundenanlagen“ aus, insbesondere, weil es hier ein erstes Urteil des LG Bayreuth gibt.

DIE IDEE: Wirklich „einfach“

1. Der Wälzungsmechanismus der Strompreisbremse

Die Strompreisbremse ist – anders als die Preisbremse nach EWPBG – in der Finanzierung zunächst an einem Wälzungsmechanismus gekoppelt. Dieser wurde als „umgekehrte EEG-Umlage“ bei der Einführung der Übererlösabschöpfung geschaffen, damit die Übererlöse auch teilweise die Preisbremse finanziert. Daher haben wir hier eine Beteiligung der Übertragungsnetzbetreiber und nicht, wie beim EWPBG, eines „Beauftragten“ für die Vorprüfung und sodann der KfW, als Vertreterin des Bundes.

Dieser Wälzungsmechanismus machte es für den Gesetzgeber notwendig, zu entscheiden, welche Übererlöse für die Abschöpfung relevant sind, was schnell damit geklärt war, dass nur in das öffentliche Netz eingespeister Strom bei der Bewertung der Abschöpfung aufgenommen werden soll. Das macht insbesondere Sinn, da dort etablierte Konstrukte, wie das Marktprämienmodell oder auch „sonstige Direktvermarktung“ über PPA Anhaltspunkte für die Bewertung von Stromlieferungen boten. „Lieferungen“ oder Eigenverbrauch innerhalb der Kundenanlage, bspw. bei Industrieunternehmen, führten bereits in der Vergangenheit zu komplexen Mengenabgrenzungsproblemen (siehe „EEG-Eigenversorgungsumlage“), was hier noch mit Fragen der Preisgestaltung „garniert“ worden wäre.

Die Einnahmen aus den Übererlösen sollten dann zur Finanzierung der Strompreisbremsezahlungen durch den Übertragungsnetzbetreiber genutzt werden und – wo diese nicht ausreichten – durch die Bundesrepublik Deutschland aufgefüllt werden, siehe hierzu §§ 24 und 25 StromPBG.

2. Der „Letztverbraucherbegriff“ des § 2 Nr. 12 StromPBG

Auf der anderen Seite hingegen, fragte man sich, welcher „Letztverbraucher“ sodann von der Strompreisbremse profitieren soll, die über die Netzeinspeisungen ins öffentliche Netz (aka Verteilernetz) teilfinanziert wird. Auch hier hat man sich sodann für den Letztverbraucher nach § 2 Nr. 12 StromPBG entschieden, der mit Strom „an einer Netzentnahmestelle zum Zwecke des „eigenen oder fremden Verbrauchs hinter der Netzentnahmestelle“ beliefert wird. Dieser Letztverbraucher wird sodann nach § 4 StromPBG vom Elektrizitätsversorgungsunternehmen über die Preisbremse entlastet.

Das ist ein „Novum“ in der Geschichte des Letztverbraucherbegriffs in der Energiewirtschaft. Denn war dieser meist derjenige, der den Strom wirklich, physikalisch in eine andere Energieform umwandelte, also „letzt-verbrauchte“ – siehe EEG-Umlage, Stromsteuer – oder zumindest derjenige, der den Strom „für den eigenen Verbrauch“ gekauft hat, so wurde man durch das StromPBG nun Letztverbraucher ohne Verbrauch. Auch war egal, ob der Strom an Verbundunternehmen weitergereicht wurde, siehe die Festlegung zu den individuellen Netzentgelten nach § 19 (siehe BK4-13-739 , Seite 59). Es reichte also, dass Strom „für mich oder andere“ an der Netzentnahmestelle bezogen wurde. Klasse, denn das scheint einfach: keine „Drittmengenabgrenzung“, etc. mehr. Und schon bekommt der Letztverbraucher die Entlastung an der Netzentnahmestelle.

3. Die Netzentnahmestelle!?

Der Gesetzgeber hat uns sodann auch nicht ganz alleine gelassen und in § 2 Nr. 16 und 13 StromPBG definiert, was diese Netzentnahmestelle sein kann, denn es wurde die „Netzentnahme“ und das „Netz“ dort eindeutig (Achtung: Sarkasmus immer in kursiv und im Text) definiert. Die „Netzentnahme“ ist dabei die Entnahme von Strom aus einem Netz „mit Ausnahme der Entnahme der jeweils nachgelagerten Netzebene“. Und das „Netz“ ist jedes Elektrizitätsversorgungsnetz um Sinne des § 3 Nr. 16 EnWG. Damit:

16. Energieversorgungsnetze

Elektrizitätsversorgungsnetze und Gasversorgungsnetze über eine oder mehrere Spannungsebenen oder Druckstufen mit Ausnahme von Kundenanlagen im Sinne der Nummern 24a und 24b sowie im Rahmen von Teil 5 dieses Gesetzes Wasserstoffnetze,

§ 3 Nr. 16 EnWG

So weit so einfach: Entlastung an den Letztverbraucher, spätestens an der Kundenanlage, also den dort vermerkten Netznutzer, denn das ist die letzte Netzentnahmestelle aus einem Netz, welches nicht die Kundenanlage umfasst. ODER??

Das ERSTE Problem: Die Höchstgrenze und der „Selbstverbrauch“

Die gerade gefundene, einfache Lösung zeigt aber bei detaillierter Betrachtung wieder einmal, dass diese Welt nicht „einfach“ sein kann… DENN: Das europäische Beihilferecht hat im Rahmen des „Befristeten Krisenrahmens (BKR) der Europäischen Kommission für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ vorgeschrieben, dass Beihilfen bei Unternehmen im Unternehmensverbund nicht mehr als 2 Mio. € betragen darf, es sei denn, es sind gewisse Voraussetzungen erfüllt (hierzu mehr an anderer Stelle, bereits hier und hier).

1. Selbstverbrauch bei der Errechnung der Krisenbedingten Energiemehrkosten

Wesentlicher Aspekt für die Bestimmung der beihilferechtlichen Höchstgrenze sind die sog. „krisenbedingten Energiemehrkosten“ (oder auch KMK), also abstrakt die Kostensteigerung, welche auf die Auswirkungen des Ukrainekrieges zurückzuführen sind. Hintergrund ist, dass kein Unternehmen mehr Geld durch staatliche (Bei-)Hilfe erhalten soll, wie dieser auch „Mehrkosten“ durch die Krise hat.

Gesetzlich ist die Berechnung der KMK in den Anlagen 1 zu den Gesetzen geregelt. Dort findet sich aber nun ein Wort, das im europäischen Kontext Sinn macht. So sind die Mengen, auf deren Basis die Mehrkosten zu berechnen sind wie folgt definiert:

„q(ref(m))“ die von externen Anbietern gelieferte und vom Letztverbraucher oder Kunden selbst verbrauchte monatliche Menge des jeweiligen Energieträgers im jeweils berücksichtigten Referenzmonat aus dem Jahr 2021, wobei die Referenzmonate aus dem Jahr 2021 jeweils für die entsprechenden Monate aus den Jahren 2022 und 2023 benutzt werden und ab dem Monat September 2022 der Wert auf 70 % zu begrenzen ist.

Anlage 1 zum StromPBG sowie EWPBG, Ziffer 1 „Begriffsbestimmungen“, Hervorhebung durch den Autor.

2. Weitergabe von Strom und Auswirkung auf die Entlastung

Wenn daher ein „Letztverbraucher“ an einer Netzentnahmestelle bspw. 10 GWh Strom von einem „externen Anbieter“ bezieht und davon bspw. 9 GWh an andere Abnehmer weiterleitet (also per kWh abrechnet), führt dies nach dem aktuellen Gesetz zu folgendem Ergebnis: Der „Letztverbraucher“ erhält nach § 4 StromPBG die Entlastungszahlung für 10 GWh, die für diesen zu ermittelnde Höchstgrenze bemisst sich aber an dessen „Selbstverbrauch“. Dabei wird man aufgrund der Intention des europäischen Beihilferechts vom wirklichen, personenidentischen Letztverbrauchs desjenigen ausgehen müssen, der die Beihilfe erhält (insofern verweise ich auf die bisherige Auslegung, bspw. im Rahmen der Umlagenreduktionen, jetzt EnFG und der dortigen besonderen Ausgleichsregelung).

Im Gegenzug würde die weitergeleitete Menge und deren Entlastung nicht in den Bereich der Preisbremsen fallen, sondern deren Entlastung rein freiwillig durch den aufnehmenden Letztverbraucher an der Entnahmestelle erfolgen. Diese Freiwilligkeit ist natürlich faktisch leicht begrenzt (sie erinnern sich an die Bedeutung des Kursiven).

Anders verhält es sich freilich, wenn der Strom nicht „weitergeleitet“ wird, sondern auf Basis eines Mietvertrags im Rahmen der Betriebskosten abgerechnet wird, denn dann ist der Vermieter nach § 12a StromPBG zur Weitergabe der Entlastung verpflichtet und andererseits die abgerechnete Menge nicht Teil der Höchstgrenze, siehe § 12a Abs. 9 StromPBG (mehr zur Vermietung aber an anderer Stelle bei „PFP“).

„Weiterleitung“ bedeutet hierbei insbesondere die kostenfreie oder auf Basis von „kWh-scharfen“ Abrechnungen erfolgte Weitergabe von Strom an nicht personenidentische Dritte.

Da im Übrigen der „Dritte“ an welchen die Menge weitergereicht wurde, aber keinen Anspruch auf eine Entlastung durch den Staat hat, sondern nur der Letztverbraucher (an der Netzentnahmestelle), erhält dieser – wenn die Entlastung auch weitergeleitet wird – die Entlastungen außerhalb der Grenzen einer „Höchstgrenze“; auf diese Mengen „kommt es nicht an“.

3. Die erste Lösung der Prüfbehörde

Mehrere Anfragen der Kanzlei bei der Prüfbehörde und drängen einiger Mandanten in der Frage beim BMWK sowie bei einigen Bundestagsausschüssen führte zunächst zu einem „das ist nun mal so und dem Wälzungsmechanismus geschuldet“ und dann zu einem Verweis auf die – natürlich unverbindlichen – Ausführungen in den „Häufig gestellten Fragen zu Höchstgrenze und Selbsterklärungen“, aktuell am 23.02.2024, ca. 18:30 Uhr auf Stand Version 13 vom 15.02.2024. Darin ist in Ziffer 1.1.2 folgendes ausgeführt:

Grundlage der Entlastung eines Unternehmens und damit auch der Beihilfe ist dabei grundsätzlich jeweils ein Liefervertrag. Die Entlastung ist von daher unabhängig von einer Weitergabe über sonstige Vertragsverhältnisse bei dem Unternehmen, das Empfänger von Gas oder Wärme auf Basis eines Liefervertrages ist. Entlastungsbeträge, die ein Verbundunternehmen zur Weitergabe an ein anderes Verbundunternehmen von einem Energielieferanten erhält, können alternativ jeweils auf Basis entsprechender Selbsterklärungen als Entlastungsbeträge desjenigen Verbundunternehmens, das Vertragspartner des Liefervertrags ist, oder aber auch des Verbundunternehmens, dem die Entlastung durchgereicht wird, behandelt werden.

„Häufig gestellten Fragen zu Höchstgrenze und Selbsterklärungen“, aktuell am 23.02.2024, ca. 18:30 Uhr auf Stand Version 13 vom 15.02.2024.

Diese Antwort ist auf ausdrücklichen Hinweis der Ansprechpartner auf das Problem der Weiterleitung von Strom in Kundenanlagen anzuwenden, immer dann, wenn es sich bei den „Weiterleitungsempfängern“ in der Kundenanlage um Verbundunternehmen handelt. In derartigen Fällen müsste daher das Verbundunternehmen von dem „Letztverbraucher“ erhaltene Mengen „auf Basis entsprechender Selbsterklärungen“ in die Höchstgrenze einrechnen.

4. Der Ansatz der „Preisbremsenverlängerungsverordnung“

Der Entwurf der „Verordnung zur Verlängerung der Energiepreisbremsen“ wurde am 16.11.2023 vom Bundestag durch die Mehrheit der Ampelkoalition beschlossen (siehe hier). Da dieser aber – auch aufgrund des Urteils des BVerfG zum Klima-Transformationsfond (KTF) vom 15.11.2023 – durch das BMWK nicht zur Verkündung gegeben wurde, trat die Verlängerung nicht in Kraft. In der beschlossenen Variante findet sich aber folgender Satz:

„Satz 1 [Verlängerung der Preisbremse] ist nicht auf einen Letztverbraucher anzuwenden, soweit dieser Strom an einen Dritten weiterleitet.“

BT-DS 20/9346 vom 15.11.2023, Seite 5, Entwurf § 2 Satz 2 PBVV – Ergänzung in eckigen Klammern durch den Autor

Damit hätte der Verordnungsgeber versucht, das o.g. Problem zu beheben, was massiv missglückt wäre, denn Fragen wie „Wie werden die Mengen abgegrenzt?“ und „Wann sind die Mengen an den Lieferanten zu melden?“ und „Gibt es Bagatellgrenzen?“ waren nicht geklärt.

Das Problem besteht weiterhin und bisher „beten“ wir der Klarheit halber, dass die Weiterleitungsempfänger Verbundunternehmen der weiterleitenden „Letztverbraucher“ sind.

Das ZWEITE Problem: Die Kehrseite der Medaille

Im selben Kontext, aber aus anderer Perspektive, ergibt sich ein weiteres Thema, das nun das LG Bayreuth vermeintlich gelöst hat. Im Urteil des Landgerichts (AZ 1 HK O 30/23 vom 30.11.2023, BeckRS 2023, 36540) wurde folgender Fall behandelt, wobei das Urteil nach unseren Kenntnissen nicht rechtskräftig ist und sich in der Berufungsinstanz befindet:

1. Inhalt des Urteils

Ein Unternehmen hat sich jeweils an den Netzentnahmestellen bei den öffentlichen Netzen als Netznutzer angemeldet und hat die aufgenommenen Strommengen an dessen Kunden (weitestgehend keine „Unternehmen“) innerhalb von Kundenanlagen weitergereicht sowie verkauft. Das Unternehmen trat dabei im Sinne des Stromsteuergesetzes als Versorger auf und auch im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes als Energieversorgungsunternehmen. Das Unternehmen meint nunmehr, Elektrizitätsversorgungsunternehmen, im Sinne des StromPBG zu sein und verlangt im Rahmen des Wälzungsmechanismus von den Übertragungsnetzbetreibern die Rückgewähr von geleisteter Strompreisbremsezahlungen in Summe von etwa 6 Mio. €, welche das Unternehmen selbst vorgenommen hat. Hier handelte es sich um die Klage des Unternehmens gegen einen dieser Übertragungsnetzbetreiber auf Zahlung.

Das LG Bayreuth hat für das Unternehmen entschieden, indem es sich im Wesentlichen mit dem Netz- und dem Letztverbraucherbegriff beschäftigte und diese so nach Sinn und Zweck des Gesetzes auszulegen sind, dass auch Belieferungen aus Kundenanlagen „über ein Netz“ zu Entlastungsansprüchen des „wirklichen“ Letztverbrauchers führen würden, denn der Gesetzgeber hätte diese Fälle nicht ausschließen wollen.

2. Einordnung des Urteils

Das Urteil des LG Bayreuth ist gut begründet und für den Einzelfall nachvollziehbar. Vom Ergebnis her betrachtet: Würde man das Unternehmen, welches die Strommengen weiterreicht als „Letztverbraucher“ belassen, wäre dieses an die Höchstgrenzen gebunden. Aufgrund mangelnden „Selbstverbrauchs“ wäre die Entlastung vss. auf 2 oder vielleicht gar 4 Mio. € begrenzt. Dem Unternehmen als „zwischengeschalteten Versorger“ würde daraufhin Entlastungsbeträge entgehen und die dahinter liegenden „Einrichtungen, Werke, Dienste und Verbände im kirchlichen, diakonischen und sozialen Bereich“ (Siehe RZ 5 des Urteils) würden weniger Entlastung erhalten. Wären die Einrichtungen selber Netznutzer, bspw. durch einen eigenen Netzzugang, bspw. einem „bilanzierungsrelevanten Unterzähler“ nach § 20 Abs. 1 d EnWG, hätten diese die volle Entlastung erhalten. Nach dem nun gefällten Urteil sind die Einrichtungen auch voll zu entlasten und alle sind froh, siehe auch das Echo aus der Energierechtswelt (bspw. Dr. Jost Eder, InfrastrukturRecht 2024, 24 oder Ritter Gent & Coll. in den RGC News vom 22.01.2024, hier).

Doch, wie weit darf denn eine Auslegung vom Wortlaut einer Regelung entfernt sein, wenn Sinn und Zweck der Regelung tatsächlich war, den Wälzungsmechanismus abzubilden? Die Begrenzung der Entlastung bis zur Kundenanlagegrenze war bewusst gewählt. Ob das falsch und zu kurz gedacht war (siehe oben) steht auf einem anderen Blatt, aber das ist immerhin Gesetz geworden. Über den Verweis auf § 3 Nr. 16 EnWG war zumindest klar, dass mit dem Netz eben nicht die Kundenanlage gemeint sein kann, nur weil eben vor der Kundenanlage ein Netz liegt.

Auch der Wortlaut der Entlastungsregelung wird schon arg geweitet, wenn „an einen Letztverbraucher“ „über eine Netzentnahmestelle“ geliefert (siehe § 4 StromPBG) und der Letztverbraucher „an einer Netzentnahmestelle zum Zwecke des eigenen oder fremden Verbrauchs hinter dieser Netzentnahmestelle“ (siehe § 2 Nr. 12 StromPBG) bedeutet, dass dann auch derjenige entlastet werden soll, der durch einen Versorger „hinter der Netzentnahmestelle“ den „Verwender“ hinter dieser Netzentnahmestelle“ umfassen soll.

Die Auslegung des Gerichts, dass eine Belieferung in der Kundenanlage durch den Netznutzer erfolgt, nur dann nicht dazu führt, es läge ein EltVU vor, wenn bspw. Ladepunkte als Dritte in der Kundenanlage befindlich sind, ist nicht gänzlich tragend, denn auch in der Kundenanlage hat der „Dritte“, egal ob Ladepunktbetreiber oder Mieter oder Verbundunternehmen die freie Wahl des Lieferanten, siehe § 3 Nr. 24a lit. d) EnWG. Ob die Lieferbeziehungen mit diesen Nutzern langfristig oder kurzfristig sind, ist hier doch irrelevant, siehe RZ 41 des Urteils.

Ich gehe daher (leider) davon aus, dass dieses Urteil vor dem Oberlandesgericht nicht halten wird. Die Auseinandersetzung mit dem Netzbegriff im Urteil verkennt dabei eben den Hintergrund des Wälzungsmechanismus, der nicht aufgegriffen wird und auf dieselbe Definition des Netzes abstellt, wenn es um die Abschöpfung von Übererlösen geht.

3. Was wäre wenn das Urteil Bestand hat?

Auch hier überlege ich mir, vom Ergebnis her – neben den fachlichen Argumenten – was wäre denn, wenn das OLG oder gar der BGH sodann das Urteil bestätigt?

Zunächst ist ausdrücklich zu erklären, dass das „Beistellungsmodell“, nach welchem Energieversorger an Netzentnahmestellen in Kundenanlagen die Netznutzer-Stellung aufnehmen, durchaus unterschiedliche Gründe haben kann. So ist einerseits gewährleistet, dass das komplexe Feld der Energieversorgung, der Energieeffizienz, der Energiedienstleistungen – gerade in größeren Einheiten – zentral angegangen wird. Diese Energieversorger haben daher nach meiner Überzeugung eine wichtige Aufgabe in der Umsetzung der Energiewende. Zudem können diese aktuell noch über verschiedene Maßnahmen Kosten für die „wahren Letztverbraucher“ dämpfen.

Es gibt aktuell viele derartige Fälle des Beistellungsmodells, in welchem sich insbesondere nicht oder nur im weitesten Sinne unternehmerisch tätige Rechtspersonen eines derartigen „Kundenanlagen-Energieversorgers“ bedienen. Meistens werden hier Rechtspersonen betroffen sein, die kirchlich oder karitativ arbeiten oder im Gesundheitswesen befindlich sind (siehe auch hier die entsprechende Einschätzung des Autors des Blogbeitrags von RSM Ebner Stolz hier). Im Regelfall ist der „Kundenanlagen-Energieversorger“ teil des Unternehmensverbundes des Stromlieferungskunden, soweit diese unternehmerisch tätig sind, auch um den Energieeinkauf steuerlich zu optimieren. Im Falle karitativer und kirchlicher Einrichtungen hingegen liegt kein „Unternehmen“ im Sinne der Preisbremsegesetze, bzw. der europäischen Beihilferechtslage vor.

Viele der Kundenanlagen-Eigenversorger haben nun – auf den Wortlaut des Gesetzes und auch den Sinn und Zweck der Regelung des „Letztverbrauchers“ vertrauend – Entlastungen für deren „Letztverbrauch“ erhalten und diese weitergereicht. Im Fall des Unternehmensverbundes wurde sodann auf den Hinweis der Prüfbehörde entsprechend auf die Verbundsstruktur abgestellt.

Sollte nun der Kundenanlagen-Versorger EltVU im Sinne des Preisbremsegesetzes werden, würde das eine umfassende Rückforderung von Entlastungen durch Vorlieferanten bedeuten und auch Nachforderungen von Letztverbrauchern nach sich ziehen. Denn dann kommt es ja – wie weiter oben dargestellt – nicht mehr auf die krisenbedingten Mehrkosten des Netznutzers, sondern auf die dies wahren Letztverbrauchers bei der Berechnung der Höchstgrenzen an.

Die gesetzlichen Fristen zur Abrechnung und insbesondere Abgabe von Selbsterklärungen wären abgelaufen.

Auch stellt sich sodann – neben der Frage, was ist Weiterleitung von Strom im Gegensatz zu Vermietung und Nebenkostenabrechnung – die Frage, wo nur „Weiterleitung“ stattfindet oder sogar „Stromversorgung“. In letzterer Frage gäbe es höchstwahrscheinlich weit weniger Abgrenzungskriterien, wie in der ersten.

Zusammenfassung oder „Ceterum censeo“

Die Regelung des Letztverbrauchers im StromPBG ist gut gemeint. Das Ergebnis führt zu vielen Unklarheiten und nun bereits zu einem ersten, heiß diskutierten Urteil. Die Lösung wäre bereits im Korrekturgesetz gewesen, dass die Definition den bisherigen Regelungen, bspw. in EnFG entsprechend angepasst worden wäre. Den vielen, hochwertigen Anregungen aus der Branche wurde keine Bedeutung zugesprochen und wurden im August 2023 nicht berücksichtigt.

Jetzt wäre es gut, schnell Klarheit zu bekommen und ggf. eine Wahloption zu ermöglichen. So sollte es einerseits, ohne wesentlicher Änderung des bisherigen Vorgehens, möglich sein Entlastungen an der Netzentnahmestelle auch für weitergeleitete Strommengen an den Netznutzer / Letztverbraucher auszukehren. Andererseits könnten nun „Kundenanlagen-Energieversorger“ noch kurzfristig wählen dürfen, ob diese die Entlastung selbst vornehmen oder nicht.

Hierfür braucht es – neben der Regelung einer Verordnung nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 und 4a StromPBG zur Rückforderung (und Nachzahlung) von Preisbremseleistungen – insbesondere Zeit! Die Frist zur „finalen Selbsterklärung“ am 31.05.2024 ist um mindestens ein Jahr zu verlängern.

Michael Hill
Partner

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