Ingolstadt, 13.12.2022
Die Nachricht hat mich aus dem Autositz gerissen, als ich heute (natürlich elektrisch) in die Arbeit fuhr: Die Ampelkoalition hat sich offenbar darauf geeinigt, dass die Zahlung von Entlastungen aus der Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse sowie Dezembersoforthilfe und auch Energiekostendämpfungsprogramm (sog. „Entlastungssumme“) ab 25 Mio. € eingeschränkt und ab 50 Mio. € ausgeschlossen sind, wenn die Geschäftsleitung und Aufsichtsräte nicht auch Bonuszahlungen verzichten. Bei einer Entlastung über 50 Mio. € soll auch die Zahlung von Dividenden ausgeschlossen sein. Das berichtet zumindest Spiegel und Handelsblatt (siehe Bericht bei tagesschau.de). Der Entwurf des angepassten Gesetzes liegt uns aktuell noch nicht vor.
Bei einem Entlastungsbetrag ab 25 Mio. € bis 50 Mio. € „dürfen Bonizahlungen für 2023 nicht angehoben werden“. Betroffen ist die „Geschäftsleitung“, was im Ergebnis wohl wie beim EKDP zu verstehen ist, also sämtliche Führungspersonen erster Ebene (Vorstände und Geschäftsführung) zu verstehen sein wird. Laut Bericht des Spiegel sollen auch Aufsichtsräte betroffen sein. Was die „Anhebung“ genau bedeuten soll, wird sich wohl auch erst im konkreten Gesetz nachlesen lassen.
Bei einer Entlastung (Entlastungssumme) über 50 Mio. € soll sodann die Bonuszahlung komplett entfallen und auch keine Dividenden mehr an die Aktionäre ausgeschüttet werden.
Weitere Anforderungen an Entlastungen über 2 (!) Mio. €
Die Regelungen sind in dieser Form nicht auf europarechtlichen Beihilferegelungen basierend und betreffen nur die BRD. Weder der europäische „Befristete Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ (hier, Verlängert bis 31.12.2023, hier) noch der deutsche „BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen“ oder auch andere europäische Regelungen verlangen den Verzicht auf Boni bei der Unternehmensleitung oder gar die Dividendenausschüttung zur Inanspruchnahme der Entlastungen.
Unternehmen, die eine Entlastung über 2 Mio. € (auch hier der „Entlastungssumme“) erhalten wollen, müssen nach dem ersten Entwurf, basierend auf europarechtlichen Grundlagen, bereits nachweisen, dass sie entweder
- „besonders betroffen von den hohen Energiekosten“ (nachzuweisen anhand der Unternehmensergebnisse),
- „Energieintensiv“ (Nachweis über Kostenanteil der Energie am Produktionswertes oder Umsatz)
- „Liste der Anlage 2“-Branchenunternehmen (europäische Beihilfe-Anspruchberechtigte nach der Klima-, Umwelt und Energiebeihilfe Leitlinie: „besonders von hohen Energiepreisen betroffene Sektoren“) sind und, dass
- die Entlastungen nicht zu einer Erhöhung des EBITDA über 70 % des EBITDA im Jahr 2021 führt, sowie,
- dass die Entlastungssumme nicht mehr als einen bestimmten Prozentsatz der „krisenbedingten Energiemehrkosten“ überschreiten darf.
Da das noch nicht ausreicht, muss das Unternehmen, das mehr als 2 Mio. € Entlastung erhält, auch noch eine Arbeitsplatzgarantie für 90 % der Mitarbeiter abgeben.
Dazu nun noch die Bonuseinschränkungen bzw. der Dividendenausschluss ab 50 Mio. € Entlastungssumme.
Da sich diese Grenzen im Ergebnis über den gesamten Entlastungszeitraum (also seit Geltung des EKDP bis Ende der Preisbremsen) ziehen soll, ist zudem für die Unternehmen heute noch nicht absehbar, wie hoch deren konkrete Entlastung ist…
Persönliche Einschätzung und „Gefühlslage“ des Verfassers
Meines Erachtens ist dieser Schritt nun eine Zumutung. Die Unternehmensführung ist am Ende auch diejenige, die über den Verbleib, großer energieintensiver Unternehmen in Deutschland entscheiden. Diese müssen nun ja bereits deren individuelle Belastungen aufgrund der hohen Energiekosten belegen (was auch Folge der deutschen Erzeugungsstrategie ist). Der „Anreiz“ die Produktionsstätten auch ins nicht europäische Ausland zu verlagern, wird täglich größer. Schließlich stellt sich nun die Frage, wie die konkrete Ausgestaltung der Regelung ist und ob es hier nicht arbeitsrechtliche Lösungen gibt.
Da zudem der Anwendungsbereich der Entlastungen auch für das Jahr 2024 offen ist, ist die Auswirkung auf die Dividenden und Bonuszahlungen offen. Diese Auswirkung auf den Börsenwert er Unternehmen ist daher ebenso zu erwarten. Ggf. ist die Geschäftsleitung zum Schutz des Unternehmens zu gewissen Entscheidungen gezwungen.
Michael Hill
Partner