München, 05.08.2021: Im Fußball stünde es kurz vor dem Spielende 3:0, was nunmehr durch das – noch nicht rechtskräftige – Urteil des LG Bayreuth (AZ 32 O 433/19, Urteil vom 22.06.2021) verkündet wurde: Die Bilanzkreisverantwortlichen von Kunden in der besonderen Ausgleichsregelung haften nicht „neben“ den eigentlichen Kunden für die Erfüllung der EEG-Umlagepflicht. Dasselbe hat schon das LG und OLG München entschieden. Gegen letztere Urteile ist die Nichtzulassungsbeschwerde anhängig. Das ist wohl eine gute Nachricht für Kunden wie Versorger derselben, denn diese dürften nun mehr Angebote erhalten / stellen als bisher.
Hintergrund:
Stromverbraucher, welche die Voraussetzungen der besonderen Ausgleichsregelung nach §§ 63 ff EEG 2021 erfüllen, zahlen gemäß § 60a EEG 2021 die EEG-Umlage direkt an den Übertragungsnetzbetreiber. Der Lieferant rechnet dem Verbraucher gegenüber die EEG-Umlage nicht mehr ab. Folgender Satz ist sodann in § 60a EEG 2021 zu finden:
„Im Übrigen sind die Bestimmungen dieses Gesetzes zur EEG-Umlage für Elektrizitätsversorgungsunternehmen auf Letztverbraucher, die nach Satz 1 zur Zahlung verpflichtet sind, entsprechend anzuwenden.“
§ 60a Satz 2 EEG 2021
Zu energielogistischen Abwicklung von Stromlieferungen werden sog. „Bilanzkreise“ verwendet, deren Bewirtschaftung dem sog. „Bilanzkreisverantwortlichen“ unterliegt (siehe StromNVZ) . Diese Rolle wird oft zeitgleich vom Lieferanten erfüllt, ebenso häufig aber auch von externen Dienstleistern von Lieferanten. Im Bereich der Großkunden, welche überhaupt in die „Verlegenheit“ kommen können, die besondere Ausgleichsregelung anzuwenden, ist dann doch überwiegend der Lieferant auch Bilanzkreisverantwortlicher.
Nun wird im Bereich der Pflichten von Elektrizitätsversorgungsunternehmen im § 60 EEG 2021bei Entrichtung der EEG-Umlage wie folgt erläutert:
„Der Inhaber des zugeordneten Abrechnungsbilanzkreises haftet für die EEG-Umlage, die ab dem 1. Januar 2018 zu zahlen ist, mit dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen gesamtschuldnerisch.“
§ 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2021
Hintergrund dieser Regelung waren unter anderem Fälle von (klassischen) Energieversorgungsunternehmen, welche behaupteten, keinen Strom sondern Nutzenergie zu leisten und damit die EEG-Umlage nicht abführten. Deren Vorlieferanten (und Bilanzkreisverantwortliche der Lieferung), verwiesen hingegen darauf, keine Letztverbraucher zu beliefern, sondern nur Lieferanten. Somit wäre die EEG-Umlage in diesen Fällen im Streit gestanden, was den Gesetzgeber dazu verleitet hat, diese Regelung zur Gesamtschuldnerischen Haftung einzuführen (BT DS 18/8860, Seite 238 nicht barrierefrei, pdf)
Der „Störfall“
Wie immer, ist alles gut, so lange alles den „normalen Gang“ nimmt. „Störfall“ hier ist aber bspw. die Insolvenz oder die sonstige dauerhafte Nichtzahlung der EEG-Umlage durch den Stromverbraucher.
In diesem Fall haben die Übertragungsnetzbetreiber regelmäßig aus den oben dargestellten Vorschriften hergeleitet, dass gesamtschuldnerisch neben dem Stromverbraucher in der besonderen Ausgleichsregelung der Bilanzkreisverantwortliche (BKV) haftet. Dies stellte für die Lieferanten / BKV ein fast unkalkulierbares, meist finanziell umfangreiches und vor allem nicht versicherbares Risiko dar, weswegen auch die Anzahl an Anbietern für derartige Kunden stetig sank.
Das Urteil
Das Urteil des LG Bayreuth führt nunmehr aus, dass eben keine gesamtschuldnerischer Haftung für den Fall der Stromverbraucher in der besonderen Ausgleichsregelung mit dem Bilanzkreisverantwortlichen vorliegt. Es besteht weder ein vertragliches noch gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Übertragungsnetzbetreiber und Bilanzkreisverantwortlichen, auf dessen Basis ersterer vom zweiten die EEG-Umlage für den Stromverbrauch des Letztverbrauchers verlangen kann.
Der Bilanzkreisvertrag selbst enthält hierzu keine Regelung, weshalb die vertragliche Grundlage für eine Forderung der EEG-Umlage fehlt.
Sodann ist weder der Wortlaut der Verweisungsnorm des § 60a Satz 2 EEG, noch dem Sinn und Zweck zu entnehmen, dass eine umfassende Verweisung auf alle Regelungen, die zwischen Übertragungsnetzbetreiber und Bilanzkreisverantwortlichen gelten, mit dem Verweis gemeint ist. Vielmehr sind die Regelungen zur Abwicklung der EEG-Umlage zwischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen und dem Übertragungsnetzbetreiber hier gemeint gewesen, wie bspw. Regelungen zu Meldung, Fälligkeit, etc. So deutet auch die Gesetzesgenese darauf hin, dass eben die oben beschriebenen „Störfälle“ nicht diejenigen Fälle sind, die das Gesetz meinte.
Weiteres Verfahren
Sowohl das Urteil des LG Bayreuth, als auch die Urteile des LG München (Urteil vom 10.01.2020, AZ 41 O 424/19) und dessen Berufungsurteil OLG München (Urteil vom 06.08.2020, AZ 3 U 873/20) sind noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil des LG Bayreuth wurde Berufung eingelegt, gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des OLG München die Nichtzulassungsbeschwerde (AZ beim BGH: XIII ZR 8/20).
Es bleibt daher spannend, sowohl für die großen Kunden als auch deren Versorger. Das Ergebnis kann daher entweder 4:0 gegen die Gesamtschuldnerische Haftung heißen, oder (aufgrund der „Auswärtstorregelung des BGH“ 🙂 ) 3:4 für dieselbe. Aber so kurz vor dem Abpfiff wird doch nichts passieren, oder?
Michael Hill
Rechtsanwalt | Partner