München, 06.12.2020: Das Bundeskabinett hat am 02.12.2020 die endgültige Fassung der Emissionsberichterstattungsverordnung 2022 (EBeV 2022) und der Durchführungsverordnung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHV) zum Brennstoffhandelsgesetz (BEHG) beschlossen. Derzeit sind zwar nur „inoffizielle Lesefassungen“ der Verordnungen verfügbar, diese werden aber alsbald im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und sind daraufhin wirksam.
Die finalen Fassungen entsprechen in vielen Teilen den bisherigen Entwürfen. Vor allem bei der Frage, wie hoch nun ab dem 01.01.2021 der Aufschlag für Zertifikatskosten aus dem Brennstoffhandel auch auf Erdgas sein wird, ist nun Klarheit gegeben. Nach der Berechnungsformel im Anhang 1 zur EBeV ergibt sich folgende Berechnung:
Darin werden1 MWh Gas als 3,2508 GJ Energie definiert (was aber nur für die Jahre 2021 und 2022 gelten soll und danach vss. anhand konkreter Berechnungen nach der DVGW G 685 berechnet werden wird). Damit ist eine Mehrbelastung im Jahr 2021 – bei einem CO2 Gehalt von 0,056t CO2 / GJ einem Umrechnungsfaktor von 3,2508 GJ/MWh, einem Heizwert von 1 GJ/GJ sowie einem Zertifikatspreis von 25 € je Tonne CO2 – die kWh Erdgas mit 0,455112 ct/kWh (4,55112 €/MWh) gegeben.
Hinzu kommen vss. noch Erwerbskosten für den Kauf von Zertifikaten und die Anmeldung bei der zuständigen Stelle, welche aber „überschaubar“ sein sollen. Diese Kosten werden Versorger – wie grundsätzlich auch angelegt – an die Verbraucher weitergeben. Wie diese Weitergabe erfolgt, ist den Regelungen des Erdgasliefervertrages überlassen. Hierbei gibt es meist Anpassungsregelungen in den Verträge, die aber individuell geprüft werden müssen. Neue Verträge sollten entsprechende Regelungen aufgenommen haben.
Herausforderungen für Erdgas-Lieferanten
Herausforderung bei der Umsetzung des Gesetzes und der Verordnungen sind auf Versorgerseite abzusehen: Weder ist die „Beauftragte Stelle“, welche die Veräußerung der Zertifikate vornimmt bereits bestimmt (diese wird derzeit über Ausschreibungen gesucht), noch sind Anmeldungen im Register möglich. Klar ist nur, dass die Kosten bei den „Lieferern“ von Erdgas nach dem EnergieStG und damit von dem Versorgungsunternehmen hängen, welche dann ab 2026 auch in einen Wettbewerb um die Zertifikate eintreten müssen. Die Regelung bis dahin ist reichlich „schlecht“ für die Versorger: Diese müssen den gesamten Gasverbrauch (dann wieder umgerechnet von Brennwert in Heizwert) so gut wie möglich prognostizieren und dafür Zertifkate ordern udn bezahlen. Ein „Aufstocken“ um 10 weitere Prozent ist nach Ablauf des Lieferjahres bis Ende September möglich, ein Verkauf von Zertifikaten, die nicht genutzt wurden, dahingegen nicht. Sollte daher ein großer Kunde im laufenden Jahr (ohne Fortführung des Betriebs) insolvent werden, können die für diesen gekauften Zertifkate nicht mehr zurückgegeben werden. Dieses Risiko versucht man mit einem letzten Verkaufstermin frühestens am dritten Arbeitstag im Dezember abzufedern (siehe dann § 6 Abs. 1 BEHV), was in der Zeit der vollen Zertifikatszuteilung (noch) keine weiteren Probleme hervorrufen dürfte. In Zukunft werden die Dezember-Verkaufstermine entsprechend rege genutzt werden. Auch ein „Sekundärmarkt“ unter den „Verantwortlichen“ selbst ist vorgesehen, nur eben kein Rückkauf bereits erstandener Zertifikate durch die Behörde selbst (klarstellend ergänzt am 08.12.2020).
Schließlich vertreten wir die Ansicht, dass es sich bei den BEHG-Zertifkatskosten rechtlich eben nicht um eine „Umlage, Abgabe oder Steuer“ handelt. Die Zertfikatskosten sind vielmehr Teil der Beschaffungskosten für Erdgas, denn der Letztverbraucherlieferant kann ohne Beschaffung von Zertifikaten in der entsprechenden Höhe Erdgas nicht mehr veräußern (es sei denn er nimmt eine Pönale der zuständigen Behörde in Höhe des doppelten Festpreises in Kauf, § 21 BEHG). Da die Höhe der Abgabe aber bereits im Jahr 2023 unterschiedlich sein kann, da dann ggf. schon der Heizwert nach den allgemeinen Regeln der G685 ermittelt wird und ab 2026 die Zertifkatskosten im Wettbewerb gebildet werden, ist dieser Kostenfaktor (wie Regel- und Ausgleichsenergiekosten oder VHP-Gebühren) unseres Erachtens Teil der Beschaffungskosten.
Belastung für den Verbraucher
Unter anderem neben den Haltern von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren (diese werden nun eigentlich „dreifach“ für das CO2, welches im Motor erzeugt wird belastet: KfZ-Steuer, Energiesteuer und BEHG-Zertifikaten) und „normalen Heizgaskunden“, werden natürlich Betreiber von KWK-Anlagen in der dezentralen Eigenerzeugung sowie Einspeisung belastet. Zwar sind diese Anlagen regelmäßig nach den §§ 3 und 53a EnergieStG in der Energiesteuer reduziert oder gar ganz befreit (Ergänzend am 08.08.2020: rechtstechnisch „entlastet“), aber diesen werden die Zertifikatskosten nach BEHG auch voll durch deren Lieferanten in Rechnung gestellt bekommen. Lediglich Betreiber von Anlagen, welche dem europäischen Treibhausgas-Emissionshandel unterliegen, können eine Entlastung beim Lieferanten beantragen. Eine Entlastung von „besonders stark“ betroffenen Unternehmen, für welche die BEHG-Kosten eine „unzumutbare Härte“ aufweisen sowie für „Carbon-Leakage“-Unternehmen, ist zwar nach § 11 BEHG vorgesehen, aber noch nicht konkretisiert, bzw. der EU-Kommission nicht zur beihilferechtlichen Genehmigung vorgelegt worden.
(Klarstellend auf den Kommentar von Herrn Sahin ergänzt am 08.12.2020: Sollte die Energiesteuer erst gar nicht entstehen, sind die betreffenden Energieerzeugnisse nicht als „in Verkehr gebracht“ anzusehen und sodann auch keine Zertifikate hierfür zu beschaffen, siehe § 2 Abs. 2 BEHG. Hierunter fallen in gewissen Konstellationen auch die Steuerbefreiungen nach §§ 24 ff EnergieStG. Energiesteuerentlastungen hingegen führen wie oben dargestellt nicht zu einer Reduktion der Zertifikatepflicht.)
Weiterführendes
Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHST) hat Informationsseiten zum nationalen Brennstoffhandel geschaltet. Dort werden auch Folien einer Veranstaltung am 04.12.2020 hinterlegt werden, die mehr Details zur Anmeldung und Berichterstattung (für Versorger) und Berechnung der Zertifikatskosten enthalten. Die Seiten finden Sie hier.
Unsere Einschätzung
Das Gesetz und die Verordnungen stellen sich für uns in vielen Bereichen als kaum praktikabel dar. Viele Umsetzungsschritte sind noch nicht erfolgt, die ersten Zertifikate dürften ab Mitte 2021 gekauft werden. Der Kunde aber sollte vertraglich ab 01.01.2021 die Kosten hierfür bezahlen. Die Umsetzung von Vertragsanpassungen durch Lieferanten wird die nächsten Wochen verstärkt zunehmen, nachdem nun „endlich“ Klarheit über die grundliegenden Regelungen herrscht. Dass das – aufgrund von gesetzlichen Anpassungsfristen – nicht mehr immer ab 01.01.2021 möglich sein wird, ist zu befürchten. In diesem Fall blieben Lieferanten auf deren Kosten „sitzen“.
Zur fehlenden Praktikabilität kommen gewichtige Argumente hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des BEHG für die Zeit der Vollzuteilung (keine Verknappung von Zertifikaten) und festen Kostenvorgaben. Hier werden voraussichtlich einige Gerichte in den nächsten Jahren beschäftigt. Warum der Gesetzgeber nicht einfach eine Erhöhung der Energiesteuer anstelle der Einführung des nationalen Emissionshandels gewählt hat, bleibt – unter diesem Aspekt – fraglich, ist aber ein „Schuß übers Grab“ wie ein ehemaliger Vorgesetzter des Verfassers derartige Vorschläge und Kritik immer nannte.
Die Kanzlei steht Ihnen zu diesem Thema und Nachfragen gerne zur Verfügung. Ansprechpartner hierzu ist der Verfasser und Herr Koppenwallner. Wir werden hierzu nochmals in der KW 51 2020 zu den Grundlagen an dieser Stelle berichten.
Michael Hill
Rechtsanwalt | Partner
Belastung für den Verbraucher
Sehr geehrter Herr Hill,
vielen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar!
Nach unserer Meinung entfallen CO2-Mehrkosten auch bei einem energiesteuerfreien Erdgasbezug. D. h. Anwendungen mit diesem Bezug sind von der Erdgassteuer i. H. v. 0,55 ct/kWh befreit (Energiesteuergesetz unter Abschnitt 4 Steuerbefreiungen)!
Fazit: Ab dem 01.01.2021 liegen nur die von Gaslieferanten gelieferten Gasmengen dem nationalen Brennstoffemissionshandel via Brennstoffemissionshandelsgesetz BEHG (CO2-Mehrkosten für KJ 2021 ~ 0,455 ct/kWh bei 25 Euro/t), die der Gaskunde energiesteuerpflichtig beziehen wird.
Sofern bei Gaskunden eine Berechtigung zum energiesteuerfreien Bezug vorliegt bzw. künftig vorliegen sollte, sind diese Teilmengen dem Gaslieferanten zu melden. Der Gaslieferant als Verantwortlicher („Inverkehrbringer“) benötigt für diese Mengen keine CO2-Zertifikate zu kaufen! Gleiches gilt für Biomethanbezug!
MfG
Mustafa Sahin
Schöne Grüße auch Herrn RA Fey!
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Sehr geehrter Herr Sahin,
vielen Dank für Ihren Kommentar, den ich als Anlass genommen habe, meine Ausführungen klarzustellen. Dennoch bleibt es bei Entlastungen bei dem von mir zuvor bereits ausgeführten. Die (vollständige) Entlastung von (normalen) Erdgas nach § 53a Abs. 6 EnergieStG führt daher bspw. nicht dazu, dass die Steuer nicht entstanden ist und damit auch nicht zum Entfall der Zertifikatspflicht. Bei dem in § 2 Abs. 2 BEHG vorausgesetzten „Entstehen“ der Energiesteuer muss der in den verwiesenen Regelungen jeweils in Bezug genommene steuerfreie Bezug aber tatsächlich berücksichtigt werden. Dies betrifft unter verschiedenen Voraussetzungen auch den von Ihnen genannten Biomethanbezug.
Generell darf aber auch nicht von einem Blogbeitrag verlangt werden, dass dieser alle konkreten Anwendungsfälle ausführlich klärt. Dazu sind wissenschaftliche Beiträge in Fachzeitschriften eher geeignet. Hier soll eher eine allgemeine Information, vor allem im Bezug auf die für unsere Mandanten relevanten Themenfelder erfolgen.
Ich danke für Ihren Beitrag und freue mich auf einen weiteren regen Austausch. Grüße nach Dinslaken.
Michael Hill
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Pingback: Weiterer Webtalk, diesmal zum Brennstoff-Emissionshandel veröffentlicht. | Blog der Kanzlei Fey Hill Bunnemann