München, 22.06.2020: Nachdem nun die Meldefrist des 31. Mai für alle diejenigen vorbei ist, die im Jahr 2019 (und früher) mit deren Stromerzeugungsanlagen sowohl eigenen Stromverbrauch als auch den Stromverbrauch anderer Rechtspersonen (sog. „Dritter“) bedient haben, steht nun eine weitere Frist bedrohlich nahe: Bis zum 31.12.2020 müssen Messkonzepte umgesetzt sein, um vor allem Schätzungen von sog. Bestandsanlagenbetreiber (im Wesentlichen: Eigenversorgung bereits vor dem 01.01.2014) in der Vergangenheit nicht zu gefährden. Die Abgrenzung von Strommengen mit reduzierter EEG-Umlage und voller EEG-Umlage darf ab dem 01.01.2021 nur noch auf Basis eines Messkonzepts mittels geeichter Messgeräte oder in (eng gesteckten) Ausnahmefällen noch zulässiger Schätzung erfolgen.
Welche wesentlichen Folgen die Frist zum 31.12.2020 hat, erklärt folgender Artikel anhand der Grundlagen, Regelung und Beispielen sowie konkreter Herausforderungen in den nächsten sechs Monaten:
Grundlagen
Eigentlich bereits seit dem 01.08.2014 gilt, dass auch in einer eigenen Erzeugungsanlage erzeugter Strom, den man selbst verbraucht grundsätzlich mit einer EEG-Umlage belastet wird. Nur in Ausnahmefällen ist der Strom, entweder von der Umlage befreit (z.B. bei „personenidentischer“ Eigenversorgung aus eigenen kleinen Erzeugungsanlagen bis 10 kW el. Leistung, dort für eine Strommenge bis 10.000 kWh) oder eine reduzierte EEG-Umlage zu zahlen (bspw. bei „personenidentischer“ Eigenversorgung aus EEG-Anlagen, dann 40 % Umlage). Wenn aber – unabhängig aus welcher Stromerzeugungsanlage und ob der Strom bezahlt wird oder nicht – andere Rechtspersonen mit Strom beliefert werden, dann droht auf diese Menge eine Pflicht zur Zahlung der vollen EEG-Umlage. Ausnahmen sind hier Bagatellverbräuche Dritter (§ 62a EEG) oder die Einspeisung ins öffentliche Netz.
Um den Eigenverbrauch vom Drittverbrauch abzugrenzen galt schon seit 2014 im EEG 2014 (dort § 61 Abs. 7 EEG 2014), dass Energiemengen grundsätzlich gemessen werden müssen (sogar im 15-Minuten-Intervall). Wer eine Erzeugungsanlage erstmals seit dem 01.08.2014 zur Eigenversorgung genutzt hat, hatte zudem eine dezidierte Meldepflicht hinsichtlich abzugrenzender Mengen (§ 74 Satz 2 EEG 2014 und dann § 74a Abs. 2 2017). Bei Nichteinhaltung droht auch heute noch, dass die gesamten erzeugten Strommengen, die nicht an das öffentliche Netz übergeben wurden, mit 100 % EEG-Umlage belastet werden, Siehe § 61 Abs. 1 Satz 2 EEG 2014 und § 61i EEG 2017).
Mit dem „Energiesammelgesetz“ (Inkrafttreten war größtenteils am 01.01.2019) wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass fast alle Marktteilnehmer diese Messpflichten nicht eingehalten haben oder aufgrund der kurzfristigen Gesetzesänderungen im Jahr 2014 nicht einhalten konnten. Darin wurden einige Erleichterungen vorgenommen. So darf nun auch eine Abgrenzung durch Schätzung von Strommengen erfolgen, aber im Wesentlichen nur dann, wenn die Messung technisch nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzumutbar (§ 62b Abs. 2 Nr. 2 EEG 2017).
Wesentlich für die Frist zu den Messkonzepten sind dahingegen § 104 Abs. 10 und 11 EEG 2017. Darin ist in Abs. 10 geregelt, dass eine Schätzung von Strommengen in den Jahren 2018 bis 2020 grundsätzlich auch ohne Einhaltung der Voraussetzungen des § 62b Abs. 2 EEG möglich ist und nach Abs. 11, dass auch Schätzungen noch für die Jahre vor dem Jahr 2018 zur Abgrenzung von Strommengen erfolgen können. Letzteres ist wichtig, da die Anspruchsinhaber für die Zahlung der EEG-Umlage (bei einer auch vorliegenden Drittbelieferung ist das der Übertragungsnetzbetreiber), Forderungen bis weit in die Vergangenheit stellen können und auch stellen, denn hier gilt im Regelfall die Maximalverjährung des § 199 Abs. 4 BGB (dazu an anderer Stelle mehr).
Folgen einer Fristversäumung zur Umsetzung des Messkonzepts
Die Regelung zur Zulässigkeit einer Mengenmeldung auf Basis von Schätzungen für die Jahre 2018 bis 2020, legt fest:
Für Strommengen, die im Rahmen der Endabrechnung für das Kalenderjahr 2020 abgegrenzt werden, gilt dies nur, wenn eine Erklärung vorgelegt wird, mit der dargelegt wird, wie seit dem 1. Januar 2021 sichergestellt ist, dass § 62b eingehalten wird.
§ 104 Abs. 10 Satz 2 EEG 2017
Und in der Regelung für Energiemengen vor dem Jahr 2018 ist festgehalten, dass eine grundsätzliche Möglichkeit zur Schätzung von Energiemengen in dieser Zeit nur dann erlaubt ist, wenn und soweit
für Strommengen, die ab dem 1. Januar 2021 verbraucht werden, § 62b eingehalten wird; Absatz 10 Satz 2 bis 4 ist entsprechend anzuwenden.
§ 104 Abs. 10 Satz 1 Nr. 5 EEG 2017.
Dabei beschreibt § 62b EEG 2017 eben jene Voraussetzung zur messtechnischen Abgrenzung und damit die Anforderungen an ein „Messkonzept“. Wichtig ist, dass die Anforderungen an ein Messkonzept für eine weitere Zulässigkeit der Schätzungen vor 2018 daran anknüpft, dass nicht ohnehin eine Schätzung auch in der Vergangenheit zulässig gewesen wäre, weil dort eine Messung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unzumutbar war (§104 Abs. 11 Satz 2 EEG 2017).
Daher heißt das, ganz einfach nach dem Wortlaut der Regelungen: Wer bis zum 01.01.2021 für die Mengenmeldung für das Jahr 2020 (diese erfolgt entweder zum 28.02. oder 31.05.2021) kein Messkonzept umgesetzt hat, das sicherstellt, dass die Abgrenzungsvoraussetzungen aus § 62b EEG eingehalten werden, verliert – wohl auch rückwirkend – die Möglichkeit eine Abgrenzung mittels Schätzung vorzunehmen.
Wichtig: Die Netzbetreiber haben auch einen Anspruch darauf, dass die Messkonzepte durch eine Wirtschaftsprüfer testiert werden…
Beispielsfälle zur Verdeutlichung der Brisanz
Beispiel 1: Ein Industrieunternehmen A betreibt seit 2012 ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit welchem dieses den eigenen Stromverbrauch deckt. Physikalisch erreicht dieser Strom aber auch die Kantine und den Zulieferbetrieb B, welche Verbrauchsgeräte auf dem Betriebsgelände betreiben. A wird im Jahr 2020 erstmals beraten und erkennt die Problematik der Mengenabgrenzung. Es wird fristgerecht zum 31.05.2020 eine Meldung von an Dritte gelieferte Energiemengen abgegeben. Die Meldung betrifft die Zeit seit Inbetriebnahme des BHKW bis zum 31.12.2019. Da es sich um eine sog. „Bestandsanlage“ (siehe § 61e EEG 2017) handelt, werden zunächst nur an Dritte gelieferte Mengen gemeldet, welche anhand der durchschnittlichen Verbrauchsdaten vergleichbarer Verwender geschätzt wurde.
Sollte A bis zum 31.12.2020 kein Messkonzept umgesetzt haben, droht nach Wortlaut der Regelungen, dass die – teilweise bereits gemeldeten – Energiedaten für das Jahr 2020 und 2012 bis 2017 als nicht korrekt abgegrenzt angesehen werden. Die Folge kann nach heutiger Sicht sein, dass auf die gesamte in der Anlage erzeugte Strommenge die volle EEG-Umlage der jeweiligen Jahre nachverlangt wird (zzgl. Zinsen).
Beispiel 1a: Wie oben, nur dass A leider keine Meldung bereits im Jahr 2020 abgegeben hat und erstmals im Jahr 2021 von seinen Pflichten „erfährt“:
Sollte A – mangels Kenntnis – weder Meldungen für die Jahre 2012 bis 2020 abgegeben haben und ebensowenig ein Messkonzept bis zum 31.12.2020 umgesetzt haben, droht dieselbe Rechtsfolge wie oben in Beispiel 1.
Weitere Folge in den Beispielsfällen 1 und 1a ist auch, dass wenn A erst im Jahr 2021 mit der Umsetzung des Messkonzepts beginnt, die bis zu deren Umsetzung erzeugten Energiemengen ebenso mit der vollen EEG-Umlage zu belasten wäre.
Beispiel 2: Krankenhaus C hat sich im Jahr 2015 ein BHKW zur Deckung des Eigenbedarfs angeschafft. Auch hier werden Kantine und Subunternehmer, aber auch fremd vermietete Arztpraxen oder Tochterunternehmen mit Strom beliefert. Hier wird wieder gut beraten bis 31.05.2020 eine Meldung eigenverbrauchter und an Dritte gelieferter Energiemengen an den zuständigen Übertragungsnetzbetreiber gemeldet. Folge der Meldung ist aber, dass für die Jahre 2015 bis 2018 bereits die volle EEG-Umlage auf alle erzeugten und nicht eingespeisten Energiemengen (§ 61i Abs. 1 EEG 2017 i.V.m. 74a EEG 2017) und für das Jahr 2019 auf die Eigenversorgung 40 % sowie auf Drittbelieferung 100 % EEG-Umlage abzuführen ist.
Sollte C kein Messkonzept umgesetzt haben, entfiele für diesen – nach dem Wortlaut der Norm – nur die Möglichkeit der Schätzung für das Jahr 2020 und damit die Belastung der gesamten erzeugten und nicht eingespeisten Energiemenge mit der vollen EEG-Umlage auch im Jahr 2020.
Das heißt, dass gerade für Bestandsanlagen die Folgen einer fehlenden Umsetzung eines Messkonzepts immens sind, aber auch neuere Anlagen mit weiteren finanziellen Belastungen rechnen müssen.
Faktische Herausforderungen
In den nächsten Monaten muss nun – je nach Stand der Behandlung der Thematik bisher – festgestellt werden,
- …ob und in welchem Umfang auch Dritte Strom aus Erzeugungsanlagen beziehen.
- …ob das Bagatellfälle sind, die noch dem Eigenversorger zugerechnet werden können.
- …mit welchen Messgeräten Drittverbrauchsmengen abzugrenzen oder auch künftig ggf. zulässigerweise geschätzt werden dürfen.
- …ob die Messung nach Ziffer 3 überhaupt technisch möglich ist.
- …ob überhaupt ausreichend Messgeräte am Markt so kurzfristig geliefert werden können.
- …wie eine Auswertung der Messergebnisse möglich gemacht wird.
- …ob das alles dem Mess- und Eichrecht und den Anforderungen des § 62b EEG genügt.
- …ob ein Wirtschaftsprüfer die Mengenerfassung noch rechtzeitig testieren kann.
Weitere Hinweise
Ergänzend noch weitere Hinweise auf Literatur und Urteile zu dem Thema:
- Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil zur Meldung an das sog. „PV-Anlagenregister“ beschrieben, dass grundsätzlich der Anlagenbetreiber selbst alle Meldepflichten zu kennen und zu erfüllen hat, so wohl auch die Meldung zur EEG-Umlage (Siehe BGH, Urteil vom 05. Juli 2017, AZ VIII ZR 147/16). Dies kann aber im Einzelfall aufgrund konkreter Umstände anders zu beurteilen sein.
- Die Bundesnetzagentur hat – zwar rechtlich unverbindliche, aber mit einer hohen faktischen Bindung der Gerichte versehene – Leitfäden und Hinweise zur Eigenversorgung und zum „Messen und Schätzen“ veröffentlicht. Vor allem der Hinweis zum Messen und Schätzen ist vorliegend konkret hilfreich.
- Auch die Clearingstelle EEG | KWKG hat bereits des öfteren (Beispielsfall hier) zum Thema Umlagepflicht berichtet.
- Die Energie- und Stromsteuerrechtlichen Pflichten bestehen natürlich ebenso weiter, nur hier besteht grundsätzlich keine Frist zur Umsetzung von Messkonzepten (obwohl diese hilfreich sind…).
Einschätzung aufgrund derzeitiger COVID-19 Situation
Wie berichtet, versucht die Kanzlei einige Hebel un Bewegung zu setzen, um den Druck in der Angelegenheit zu nehmen (siehe hier). Bislang sind hier keine Signale aus der Politik zu hören, ob an der Frist zum 31.12.2020 zur Umsetzung der Messkonzepte geändert werden könnte. Dabei ist zu beachten, dass die Frist in der Ursprungsfassung des Energiesammelgesetzes noch zum 31.12.2019 auslaufen sollte und diese bereits um ein Jahr verschoben wurde…
Daher: Keine unnötige Zeit verlieren und alsbald die Messkonzepte aufsetzen!
Michael Hill
Rechtsanwalt | Partner
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