Die E-Mobilität kommt. Das „Ob“ scheint geklärt, die Frage ist nur noch „wie“ und „wann“. Beim „wie“ scheidet eine weitere Frage die Geister – welche Technologie wird sich durchsetzen: Batterie oder Brennstoffzelle? Diese Frage wird uns insbesondere bei Seminaren zur Elektromobilität oft gestellt. Sicher wissen kann das keiner. Auch die Strategien der großen Hersteller sind unterschiedlich – VW setzt auf die Batterie, Toyota auf die Brennstoffzelle. Volker Blandow, Global Head of E-Mobility beim TÜV SÜD, hat in einem jüngst veröffentlichten Interview eine Lanze für die Brennstoffzelle gebrochen. Das Interview war Anlass für mich, meine Gedanken mal zusammenzutragen.Persönlich habe ich mit dem Hintergrund als E-Auto Fahrer eine klare Einschätzung. Aus meiner Sicht wird der Kunde entscheiden. Und auch wenn beide Technologien ihre Vorteile und Nachteile haben, ist für mich die Brennstoffzelle schlicht zu spät dran. Durchsetzen wird sich – bei vergleichbaren Kosten – die Batterie.
Warum? Wichtigste Punkte in der Zusammenfassung:
- Aus Anwendersicht verliert die Brennstoffzelle durch die Weiterentwicklung der Batterietechnik Ihren wesentlichen Vorteil – das schnellere Tanken.
- Die Infrastruktur ist derzeit nicht da; und
- Systembedingt hat die Brennstoffzelle deutliche energetischen Nachteile.
Die Befürworter der Brennstoffzelle meinen, dass insbesondere der schnelle Tankvorgang verbunden mit der Reichweite ein wesentliches Argument wäre. Herr Blandow erwähnt die technischen Eckdaten des neuen Nexo (2019): “ 700 km elektrische Reichweite, 3 Minuten Betankungszeit, volle Reichweite im Sommer wie im Winter – und letzteres auch bei Autobahnfahrten.“
Unbestritten beeindruckend. Vergleichbar zu Verbrennern. Aber führt das in der Praxis heute zur Alltagstauglichkeit von Brennstoffzellenfahrzeugen? Meine klare Einschätzung: Derzeit nicht. Denn die Tankstellendichte ist so gering, dass keine Flexibilität besteht (Übersichtskarte hier). Wer beispielsweise in Coburg, Erfurt, Bielefeld, Würzburg, Deggendorf etc. wohnt, hat keine Wasserstofftankstelle in der Nähe. Für Nutzer in diesen Gebieten ist Tanken dann eine Herausforderung. Eine, die ich nicht annehmen würde. Und wenn jemand etwa die 293km von Bamberg nach Marburg fahren muss, ist keine Tankstelle auf dem Weg – Tanken wäre mit einem enormen Umweg verbunden. Hin und zurück wird es dann aber knapp mit der Reichweite – wenn man denn voll getankt gestartet ist (was wie beim Verbrenner ja nicht immer der Fall ist).
Aber auch für Nutzer, die eine Wasserstoff-Tankstelle in der Nähe Ihres Wohnorts haben oder auf der Langstrecke an einer Tankstelle vorbeikommen, ist Planung nötig. Denn so sorglos wie mit einem Benziner oder Diesel, bei dem an fast jeder Ecke eine Tankstelle bereit steht, kann man seinen Wasserstoffvorrat sicher nicht leer fahren. Da heisst es im vorneherein gut planen, und auch Tanken, wenn man gar nicht muss. Das mag sich ändern, wenn die Dichte an Wasserstofftankstellen zunimmt. Aber bis wann muss man warten, bis das Netz ausreichend dicht ist? 1 Jahr? 2 Jahre? 5 Jahre? Nach meiner Einschätzung wird es kaum in 2 Jahren gehen, da die Investitionen in Wasserstofftankstellen doch recht hoch sind.
Auf der anderen Seite die Batterie-E-Mobilität. Im Augenblick ist Langstrecke tatsächlich mit mehreren Ladestopps verbunden. Das gilt auch für E-Autos mit größerer Batterie. Bei meinem Tesla mit 75kWh Batterie fahre ich generell Etappen von ca. 200km und lade öfter als zwingend nötig. Denn das Laden einer fast leeren Batterie bis zu ca. 60%/70% ist deutlich schneller als da Laden einer bereits weitgehend vollen Batterie. Daher starte ich voll, fahre eine erste Etappe mit ca. 300km und ab da lade ich ca. alle 200km. Bei einer Strecke von 700 km bedeutet das min 2 mal laden, eher drei- viermal. Das dauert dann bei max. 100 kW Ladeleistung, im Durchschnitt eher 70 kW, jeweils 20-30 Minuten, insgesamt somit ca. 1-1,5 Stunden. Für mich okay, für andere womöglich zu lang.
Wird für die Eiligen dann der Wasserstoff interessant? Nein. Denn aktuell macht das – wie gezeigt – keinen Sinn. In 3 Jahren ab heute dürfte aber die Batterie-E-Mobilität anders aussehen. Die Batterien werden besser werden, bei weniger Gewicht deutlich mehr Energie speichern und schneller laden können:
Zur Reichweite: Schon jetzt sind Autos mit 180 kWh Batterie (Rivian) oder sogar 200 kWh Batterie (Tesla Roadster) angekündigt, die Reichweiten von über 400 Meilen (643 km) oder gar über 1.000 km erreichen sollen. Und auch bei anderen E-Fahrzeugen wird die Batteriekapazität zunehmen, wie sich exemplarisch am Nissan Leaf zeigt: Batterie zunächst 24 kWh, ab 2015 30kWh zu aktuell 62 kWh im Leaf E-Plus. Das bedeutet 385km Reichweite. Damit dürfte aber kein Endstand erreicht sein.
Ich gehe davon aus, dass in wenigen Jahren Reichweiten von 700-800km auch für „normale“ E-Autos realistisch sind.
Zum Laden: Früher war Schnelladen synonym mit 50kW Gleichstrom (DC). Nur Tesla bot an den sogenannten „Superchargern“ Ladeleistungen von bis zu 120kW DC.
Aus der Praxis: Das macht den Unterschied. 50kW bedeutet schlicht mindestens doppelt so lange Ladestops und dann ist es eben keine kurze Kaffeepause mehr, die man auch zwischendurch gerne mal einlegt. Ladeleistungen von min. ca. 70-100kW sind ein Muss für die Langstrecke. Das haben die Hersteller auch erkannt.
Aber die Entwicklung ist auch hier nicht stehengeblieben. Neuere Autos vertragen höhere Ladeleistungen (e-tron von Audi mit bis zu 150kW, Jaguar i-Pace mit ca. 100kW, Porsche Taycan mit bis zu 350kW etc.) und auch die Schnell-Ladeinfrastruktur wächst rasant (bspw. Ausbau durch Ionity oder Fastned). Jüngst hat Tesla die neue Version seiner Supercharger vorgestellt mit bis zu 250kW Ladeleistung. Damit wird das Laden fast so schnell wie ein Tankvorgang. Es gab sogar schon Stimmen, die meinten, dass damit die Pause zu kurz werden könnte…
Und wenn man Laden muss, geht das fast überall: Die Dichte an Ladepunkten ist sehr hoch und steigt noch. Strom gibt es schlicht an jedem Ort. Nur die Schnittstellen zum Auto – die Ladepunkte – müssen noch errichtet werden. Das ist aber schon sehr oft geschehen und wird auch weiter forciert. Kaum noch ein gutes Hotel ohne Ladepunkte. Die Einzelhändler ziehen nach. Die Kommunen bauen Ladesäulen, um die Anzahl von E-Mobilen zu erhöhen und die Luftqualität zu verbessern. Schon jetzt, noch mehr ist in Planung. In ein bis zwei Jahren wird es nochmal ein deutlich dichteres Netz geben. Die Infrastruktur ist damit – anders als beim Wasserstoff – schon da.
Zum Gewicht: Dazu liegen mir keine Daten vor, aber die Batterieentwicklung geht wohl dahin, dass die Batterien leichter werden. Das Fahrzeuggewicht scheint aber auch kein wesentlicher Punkt zu sein. BMW ist von seiner Extrem-Leichtbau-Philosophie (Carbonkarosserie beim i3) abgekommen und wird künftig E-Autos nicht mehr mit diesem Aufwand auf Gewichtseffizienz trimmen. Die allesamt sehr schweren Teslas haben gezeigt, dass das Gewicht alleine kein Hindernisgrund für hohe Reichweiten und komfortables Fahren ist.
Wie sieht dann aus meiner Sicht die Batterie-E-Mobilität künftig (etwa ab 2023) aus? Wer oft Langstrecke fährt, wird ein Auto mit einer großen Batterie haben und Reichweiten von 700-800km erzielen. Das dürfte in den allermeisten Fällen für die komplette Strecke reichen. Daher wird das Laden unterwegs an Bedeutung verlieren. Der maximale Komfort besteht darin, mit einem voll aufgeladenen Auto zu starten, die komplette Strecke ohne Erfordernis eines Ladestops durchzufahren und das leere Auto am Zielort wieder aufzuladen. Mit diesem Komfort käme dann kein Verbrenner oder Wasserstoffauto mit. Das wird die Kunden dazu bewegen, ein Batterie-E-Auto zu kaufen.
Und auf der Kurzstrecke? Da ist das Batterie E-Auto schon heute die beste Wahl. Denn „Tanken“ fahren fällt da oft ganz weg, weil das Auto bequem zu Hause geladen werden kann. Und auch für die Nutzer ohne Lademöglichkeit daheim wird es aufgrund des enormen Ausbaus der Ladeinfrastruktur bequem möglich sein, in der Standzeit des Autos zu laden.
Wo bleibt dann noch der Bedarf für Wasserstoff? Nur für Nutzer mit besonders hohen Anforderungen (wie Vertreter, die durchgängig enorme Kilometer abspulen müssen und zwischenzeitlich kaum Zeit zum Laden haben) könnte dann Wasserstoff noch seine Vorteile ausspielen. Aber erst dann, wenn das Wasserstoff-Netz dicht genug geknüpft ist. Dazu wird es aber nicht mehr kommen, denn für die geringe Anzahl an solchen Nutzern wird der Ausbau nicht erfolgen. Allenfalls für LKWs auf den üblichen Routen kann Wasserstoff noch Sinn machen (selbst da scheint aber die Batterietechnik auch mitzuspielen). Ob diese Infrastruktur-Dichte dann aber für die privaten Nutzer reicht, bezweifle ich.
Dazu kommt, dass die Nutzung von Wasserstoff energetisch deutlich schlechter ist als die Speicherung von Energie in einer Batterie. Batterie-Autos sind daher auch wirtschaftlicher bei der Vermeidung von CO2-Emissionen.
Zu den manchmal angeführten Themen wie: Der Strom reicht nicht (das ist falsch), die Batterien könnten nicht in ausreichender Stückzahl gebaut werden (meines Wissens nach nicht richtig). die Batterie sei so umweltschädlich (CO2 wegen der enormen benötigten Energie zur Herstellung und Kobalt) und das Entsorgungsproblem stelle sich (die Herstellung wird künftig oft durch regenerativ erzeugte Energie ermöglicht und der Kobalt-Anteil wird sinken bzw. ganz wegfallen, Batterien können als stationärer Speicher zweit-verwendet werden und sind zudem recycelbar) ist an anderer Stelle schon geschrieben worden.
Fazit: Die Brennstoffzelle hat nach meiner Einschätzung kaum eine Zukunft für die allgemeine E-Mobilität, da die Batterie-E-Mobilität für den normalen Nutzer deutlich attraktiver ist und noch attraktiver werden wird. Die Vorteile der Brennstoffzelle sind so gering bzw. schwinden so schnell, dass es keinen Sinn machen dürfte, in den Aufbau der Infrastruktur für Wasserstoff zu investieren. Allenfalls als Speicherlösung zur Überschussverwendung von regenerativem Strom macht Wasserstoff Sinn. Gerne in Verbindung mit einer Ladesäule für Batterie-E-Autos…