Dezentrale Erzeugung: Meldepflichten werden 2018 einfacher! (Teil 2)


2. Änderungen im Stromsteuerrecht: Versorgerstatus nur noch eingeschränkt

Wie schon in Teil 1 des Beitrages (hier) mitgeteilt, hat der Verordnungsgeber auch eine Änderung der Stromsteuer-Durchführungsverordnung erlassen, welche die Meldepflichten aus dem Steuerrecht vereinfacht. Hintergrund ist, dass nach dem bis zum 31.12.2017 geltenden Stromsteuerrecht galt: Wenn ein Anlagenbetreiber eine Stromerzeugungsanlage unter 2 MW elektrischer Leistung zur Eigenversorgung betrieben hat und auch Teile des Stromes an Dritte weitergab (sog. „Direktbelieferung“) sowie zur (vollständigen) Belieferung des Dritten zusätzlich Strom aus dem Netz der allgemeinen Versorgung bezog und weitergab (sog. „Weiterleitung“), war der Anlagenbetreiber „Versorger“ im Sinne des StromStG. Die Ausnahmevorschrift des § 1 StromStV mit Stand bis zum 01.01.2018 war nicht einschlägig. Nun hat der Verordnungsgeber der StromStV Änderungen vorgenommen, die zur Vereinfachung führen.

Rechtslage bis 31.12.2017 und Neue Regelung im Detail:

Rechtslage bis 31.12.2017

Bisher in der aktuellen Literatur entweder nur kursorisch[1] oder missverständlich[2] wiedergegeben ist die rechtliche Lage für folgende Sachverhalte:

  1. Beispielsfall: Angenommen der Eigentümer und Bewohner eines Hauses mit zusätzlicher Einliegerwohnung betreibt eine Eigenerzeugungsanlage (PV-Anlage) mit weniger 10 kW elektrischer Leistung zur Deckung des Eigenbedarfes installiert. Weiter angenommen der Eigentümer des Hauses versorgt den Mieter der Einliegerwohnung mit Strom aus der Erzeugungsanlage und immer dann, wenn der Strom aus der Erzeugungsanlage nicht ausreicht stellt der Eigentümer / Vermieter den Strom aus dem Netz (Musterfall „Mieterstrom“).
  1. Fall: Ein Hausbesitzer fährt Elektroauto und hat sich hierfür eine „Wallbox“ in die Garage gebaut. Diese wird aus der Eigenerzeugungsanlage (für den Beispielsfall nur wichtig: kleiner 2 MW elektrisch) auf dem eigenen Grundstück mit Strom versorgt. Immer wenn die Erzeugungsanlage nicht in Betrieb ist, wird Strom aus dem Versorgungsnetz an die Wallbox geleitet. Der Hausbesitzer bekommt Besuch von einem weiteren Elektromobil-Enthusiasten. Dieser darf sein Auto natürlich (kostenlos) an der Wallbox laden.
  1. und letzter Beispielsfall: Ein Mieter eines Hauses, auf dessen Dach dieser mit Zustimmung des Vermieters eine PV-Anlage betreibt (wieder kleiner 2 MW elektrisch) und diese ausschließlich zur Eigennutzung verwendet (es gibt keine Drittnutzung des Stromes aus der Eigenerzeugungsanlage). Immer wenn die Sonne nicht strahlt, nutzt der Anlagenbetreiber / Mieter den Strom aus dem Netz. Eines Tages kommt ein Freund zu Besuch, der leider ein fast „leeres“ Handy mitbringt. Der Gast lädt sein Handy im Haus des Mieters.

Allen drei Fällen ist gemeinsam, dass der Anlagenbetreiber sowohl Strom aus der eigenen Anlage (sog. „Direktbelieferung“) an die Dritten weitergibt, als auch Strom aus dem Netz an die Dritten weiterleitet (sog. „Weiterleitung“).

Im Ergebnis wäre – immer wenn die Kombination aus Direktbelieferung und Weiterleitung aus Erzeugungsanlagen kleiner 2 MW elektrischer Leistung vorliegt – der Anlagenbetreiber der Erzeugungsanlage nach „altem Recht“ im Moment des „Leistens“ von Strom an den Dritten (im Beispielsfall 1 der Mieter, im Fall 2: der Fahrzeugnutzer, im Fall 3 der Handylandende) „Versorger“ im Sinne des Stromsteuergesetzes (§ 2 Nr. 1 StromStG).

In all diesen Fällen wären die Ausnahmeregelungen vom Versorgerbegriff des § 1a StromStV in der Fassung bis 31.12.2017 nicht einschlägig.

Im Einzelnen:

  1. „Leisten“ von Strom

Voraussetzung des „Versorgerbegriffs“ im Steuerrecht ist das „Leisten“ von Strom an einen Letztverbraucher. Dabei ist irrelevant, ob der Strom bezahlt wird oder nicht. Voraussetzung ist allein ein „Liefervertrag“ bezogen auf Strom, der durch einen Dritten Letztverbraucher „verbraucht“ wird. Dabei reicht ein Gestattungsvertrag zur kostenlosen Nutzung bereits aus. Im Ergebnis ist einzig das vom Leistenden nicht erlaubte Entwenden von Strom durch einen Dritten keine „Leistung“ von Strom.

2. Folgen der „Versorgereigenschaft“

Wer Versorger im Sinne des Stromsteuerrechts ist, hat einen Erlaubnisantrag beim zuständigen Hauptzollamt zu stellen und ist grundsätzlich Steuerschuldner gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG. Das bedeutet, dass auch Bezugsstrom, den ein Versorger von seinem Vorlieferanten erhält grundsätzlich ohne Stromsteuer abgerechnet wird und der Versorger für seinen eigenen Letztverbrauch die Stromsteuer abzuführen hat. Letzteres bedeutet vor allem Abwicklungsaufwand. Des Weiteren muss ein Versorger regelmäßig Meldungen an die zuständigen Hauptzollämter geben, wie bspw. Angaben über gelieferte Mengen (diese müssen grundsätzlich mit geeichten Messgeräten erfasst werden, eine Ausnahme gilt nach § 7 StromStV bei geringfügigen Abnahmen).

3. Ausnahme des § 1a StromStV nicht einschlägig

Da der Versorgerbegriff ansonsten sehr weitreichend wäre, hat das Bundesministerium für Finanzen im § 1a StromStV Ausnahmen von der Anwendung des Versorgerbegriffs definiert. Im § 1a StromStV wurde hier vor allem die Ausnahme des § 1a Abs. 2 StromStV in den jeweiligen Ausprägungen bemüht. Hier geht es um die Leistung von Strom an Mieter und Pächter oder zur Nutzung durch oder an elektrisch betrieben Fahrzeuge oder andere Unternehmen, die den Strom entnehmen, um damit dem Stromleistenden eine eigene Leistung zu erbringen. Viele meinten damit, dass  es in den Beispielsfällen nicht dazu geführt hätten, dass die Anlagenbetrieber / Hauseigentümer oder –Mieter Versorger geworden sind. Dies ist aber fehlerhaft: Voraussetzung für diese (eng auszulegende) Ausnahmeregelung von der gesetzlichen Definition des „Versorgers“ war, dass der Stromleistende

ausschließlich nach § 3 des Gesetzes zu versteuernden Strom bezieht und diesen ausschließlich an [die vorbenannten Parteien] als Letztverbraucher leistet.“ (Zitat § 1a Abs. 2 StromStV, Ergänzungen durch den Autor)

In unseren Beispielsfällen leistet der Anlagenbetreiber / Hauseigentümer oder –mieter an den Mieter (Fall 1) / E-Fahrzeugnutzer (Fall 2) / Handyladenden (Fall 3) eben nicht nur „ausschließlich nach § 3 des Gesetzes zu versteuernden“ – damit voll versteuerten – Strom. Vielmehr wird entweder voll versteuerter Strom aus dem Netz der allgemeinen Versorgung ODER stromsteuerfreier Strom geleistet. Denn der Strom aus Erzeugungsanlagen bis 2 MW elektrischer Leistung ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 a) und b) StromStG in Verbindung mit § 12b StromStV grundsätzlich befreit von der Stromsteuer.

Selbst die vergleichsweise geringen Abnahmen des E-Fahrzeug- oder Handyladenden fielen nicht in die Ausnahmevorschrift des § 1a Abs.3 StromStV, welche bei geringem Drittverbrauch einschlägig hätten sein können, da auch hier der ausschließliche Bezug und die ausschließliche Weitergabe voll besteuerten Stroms notwendig gewesen wäre.

Damit wäre der Stromleistende in den oben genannten Beispielen vor dem 01.01.2018 „Versorger“ im Sinne des § 2 Nr. 1 StromStG für die gesamte Strommenge gewesen, mit den oben unter 2. beschriebenen Folgen. Sollte die Steuer nicht durch den soeben beschriebenen Versorger gemäß § 5 Abs. 2 StromStG abgeführt worden sein, drohten ggf. sogar die Folgen einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder auch der Steuerhinterziehung, weil der „falsche“ Steuerschuldner die Steuerschuld beglichen hat. Lösungsmöglichkeiten für die Vergangenheit bietet / bot § 5 Abs. 3 StromStG.

 

Neue Regelung:

Mit Wirkung zum 01.01.2018 gelten neue Regelungen im § 1a StromStV. Hierbei wird das oben beschriebene– offenbar so nicht gewollte – Ergebnis korrigiert. Zwar hat sich einiges seit dem Referentenentwurf vom 06.10.2017 getan, aber der Tenor der Änderung bleibt derselbe: Im Ergebnis ist derjenige, der sowohl versteuerten Strom (Weiterleitung), als auch unversteuerten Strom (Direktbelieferung) an einen Dritten innerhalb einer Kundenanlage leistet, hinsichtlich des aus dem Netz bezogenen, voll besteuerten Stromes nicht mehr Versorger im Sinne des StromStG sondern als Letztverbraucher (Siehe § 1a Abs. 6 StromStV in der Fassung ab 01.01.2018).

Folge:

Die Neuregelung hat damit vier Folgen:

  1. Derjenige, der aus einer Erzeugungsanlage kleiner 2 MW elektrischer Leistung Strom an einen Dritten innerhalb seiner Kundenanlage leistet, muss für den „Reststrom“ aus dem Netz, welcher genutzt wird, wenn die Erzeugungsanlage nicht produziert, nicht mehr die Stromsteuer selbst zu wälzen, sondern das übernimmt der „Vorversorger“. Dieser kennt sich als klassisches Versorgungsunternehmen natürlich besser mit derartigen Abwicklungen aus. Insofern gilt der Anlagenbetreiber als „Letztverbraucher“.
  2. Für den Strom aber, der aus der Erzeugungsanlage direkt an den Dritten geliefert wurde, ist der Anlagenbetreiber weiterhin Versorger im Sinne des StromStG (siehe Klarstellung in 1a Abs. 5 StromStV neue Fassung). Zwar ist dieser Strom von der Stromsteuer befreit, dennoch muss der Versorger einige Meldepflichten einhalten, wie bspw. einmal im Jahr die aus der Erzeugungsanlage an Dritte gelieferte Strommenge an die Hauptzollämter melden.
  3. Auch neu aufgenommen in die Verordnung ist für den beschriebenen Fall, dass kein formeller Erlaubnisantrag mehr gestellt werden muss, sondern nur eine Anzeige auf einem amtlichen Vordruck gemäß § 2 Abs. 3 StromStV abzugeben. Die Erlaubnis gilt dann mit Eingang der Anzeige als erteilt (§ 3 Abs. 3 StromStV neue Fassung). Außerdem könnten Hauptzollämter Ausnahmen erlauben, wenn die Steuer nicht gefährdet ist (§ 1a Abs. 8 StromStV).
  4. Der Versorger in der Direktbelieferung hat nach § 4 Abs. 8 StromStV neue Fassung Mengenmeldungen für Eigenverbrauch, Drittbelieferung auf einem amtlichen Vordruck bis zum 31.05. des Folgejahres zu melden. Ein Belegheft ist nicht mehr zu führen.

Schön ist zudem, dass zunächst nicht in die vertiefte Prüfung eingestiegen werden muss, ob es sich beim Leistungsort um einen solchen innerhalb einer Kundenanlage handelt. Hierfür hat der Verordnungsgeber eine Vermutungsregel geschaffen (§ 1a Abs. 9 StromStV).

Gerne helfen wir Ihnen, die Auswirkungen dieser Neuregelung für Ihren Einzelfall zu prüfen. Kontaktieren Sie uns gerne.

Michael Hill
Partner

 

P.S.: Bitte beachten Sie, dass hier rechtlich komplexe Sachverhalte stark komprimiert zusammengefasst werden. Diese Zusammenfassung kann daher nicht jeden Gestaltungsfall erfassen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir empfehlen dringend die Einzelfallprüfung!

 

Fundestellen:

[1] Z.B. Milewski in Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz Stromsteuergesetz, 1. Auflage 2012, § 2 Nr. 1 StromStG, RN 14 ff, genauer schon Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht, 3. Auflage 2013, Teil 3 Kapitel 15, Teil B RN 9 ff, Wundrack in Bongartz / Jatzke / Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, Loseblattkommentar, § 2 StromStG, RZ 7 Stand März 2012

[2] So Schalle/Hilgenstock in EnWZ 2017, Seite 291, konkret Seite 293, wenn dort in der Überschrift unter IV. Nr. 2 pauschal geschrieben wird, dass der Ladepunktbetreiber zum „betanken“ von Elektrofahrzeugen „nicht Versorger im stromsteuerlichen Sinne“ sei. Die Auseinandersetzung mit § 1a StromStV lies die hier vorgetragene Fallgestaltung aus.

3 Gedanken zu „Dezentrale Erzeugung: Meldepflichten werden 2018 einfacher! (Teil 2)

  1. Pingback: Dezentrale Erzeugung: Meldepflichten werden 2018 einfacher! (Teil 1) | Blog der Kanzlei Fey Hill Bunnemann

  2. Hartmut Cassen

    Ich habe jetzt am 15. 03.2018 ein Mieterstromvertrag realisiert !
    Es ist erschreckend wie man mit dem neuen Mieterstromgesetz auch, und vor Allem, von öffendlichen Stellen wie z.B. Bundesnetzagentur, und Zoll mit offen Fragen allein gelassen wird.
    Die verweigern z. T. regelrecht eine helfende Auskunft.
    Ich bin, Gott sei Dank, an einen gute auswärtigen Elektriker geraten, ohne den hätte ich das nicht realisieren können!
    Nun ist für mch immer noch die Frage offen. was ich machen muss, damit der Zukaufstrom, und der Strom, der durch das mitinstallierte AKku fließt, nicht doppelt mit EEG Umlage und Umsatzsteuer belastet wird?
    Vom Vorversorger, wie auch vom Ampriom habe ich, bis jezt immer, noch keine Antwort bekommen
    Vielleicht, kann mir ja hier jemand weiterhelfen ?

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  3. Michael Hill, RA & Mediator, Partner der Kanzlei Autor

    Hallo Herr Cassen,
    dass die Behörden inzwischen keine Auskunft mehr geben, hängt tatsächlich an der hohen Komplexität der Sachverhalte und Regelungen. Es gibt m.E. kaum noch jemanden, der die Gesamtzusammenhänge versteht und realisiert.

    Zu Ihrer Frage, bzgl. der EEG-Umlage: Hier gibt es eine Regelung im § 61k EEG 2017 und eine neue Empfehlung der Clearingstelle (AZ: 2017/29), zu finden auf der Website der Cearingstelle eeg-kwkg. Die Empfehlung befasst sich mit der Frage, wann die EEG-Umlage bei Speichern zu zahlen ist und wie die Energiemengen entsprechend gemessen werden müssen. Die Fallbeispiele dort ermöglichen einen ersten Einblick in das Thema.

    Bezogen auf die Umsatzsteuer, würde ich den Rat eines Steuerberaters empfehlen. Sollten Sie aber aufgrund der Lieferungen an Dritte ohnehin ggf. Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein, gäbe es eventuell die Möglichkeit, die Umsatzsteuer für den Bezugsstrom als Vorsteuer geltend zu machen.

    Vielleicht hilft das erst einmal weiter. Bei detaillierteren Fragen sollten Sie sich aber an einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens wenden (ggf. uns?).

    Liebe Grüße
    Michael Hill

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