Am 01. Januar 2016 ist das neue KWKG 2016 in Kraft getreten. Dies ist Anlass genug, den etwas vernachlässigten Blog wieder zu beleben, denn Probleme gibt es nicht nur für Anlagenbetreiber neuer und auch alter Anlagen, sondern auch für Letztverbraucher und Betreiber geschlossener Verteilnetze! Heute in Teil 2 geht es um Herausforderung für Betreiber von KWK-Anlagen, die vor dem 01.01.2016 in Betrieb gegangen sind und Betreiber geschlossener Verteilnetze. Für diese beiden Gruppen wird sich wohl etwas ändern (oder hat sich bereits geändert), obwohl diese keine neuen Anlagen betreiben…
3. Betreiber von KWK-Anlagen mit Beginn des Dauerbetriebes vor dem 01.01.2016 („Altanlagen“)
Betreiber dieser Anlagen meinten bislang, es sei alles in „trockenen Tüchern“: Je nachdem, wie alt die Anlage ist (vielleicht noch älter als der 01.08.2014) können diese Anlagen für die Eigenstromerzeugung nach EEG noch von der EEG-Umlage befreit sein. Jüngere „Altanlagen“ hingegen müssen schon einen Anteil der EEG-Umlage leisten für den Eigenstrom.
Genauso wie das Eigenstromprivileg der Anlagen, die älter sind als 01.08.2014 scheint nun die bequeme Art des „Produce and forget“ für die Anlagen größer 250 kW elektrischer Leistung zu wanken. Gerüchten zu folge plant das BMWi derzeit noch für das EEG 3.0 in diesem Jahr das Eigenstromprivileg für Bestandsanlagen weitgehend zu kassieren. Diese können wir bislang nicht bestätigen… ABER: das BMWi hat entweder einen gewagten Schritt bei den KWK-Altanlagen mit einer Leistung größer 250 kW elektrischer Leistung gewagt oder ist selbst über die eigene Formulierung gestolpert. Doch im Einzelnen:
Klar ist, dass KWK-Anlagen mit einer Leistung über 100 kW elektrisch künftig grundsätzlich den erzeugten Strom direkt vermarkten müssen (§ 4 Abs. 1 KWKG 2016). Wie das zu geschehen hat, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Zumindest sind die strengen Vorgaben des EEG nicht zu berücksichtigen. Was bei einer unterlassenen Direktvermarktung geschieht ist etwas unklar: Es scheint, als ob eine der Möglichkeiten ist, dass der Netzbetreiber die Anlage kurzfristig abschalten kann, da dieser die Strommengen nicht kaufmännisch abnahmen darf.
Jetzt trifft dies aber potentiell die Betreiber von Bestandsanlagen. Nach dem bereits im letzten Blog zitierten § 35 KWKG (diesmal Absatz 1) ist für die Vermarktung von Anlagen kleiner als 250 kW elektrischer Leistung mit Beginn des Dauerbetriebes bis 30. Juni 2016 geregelt, dass dort die Vermarktung des Stromes nach dem alten Gesetz stattfindet (also z.B. „produce and forget“: verpflichtende Abnahme durch den Netzbetreiber). Bezüglich der Vermarktung des Stromes aus Anlagen, die größer als 250 kW sind, findet sich nichts exaktes in den Übergangsregelungen. Lediglich in den Absätzen 2 bis 5 des § 35 KWKG wird davon geschrieben, dass auf „Altanlagen“ die Regelung zum Zuschlag und die dazugehörenden Begriffsbestimmungen des alten KWKG 2012 gelten.
Jetzt streiten sich die Geister und inzwischen auch Anlagenbetreiber mit Netzbetreibern zu Folgendem:
Heißt dies, dass Altanlagen seit Inkrafttreten des KWKG 2016 (also 01.01.2016) dazu verpflichtet sind, deren Strom direkt zu vermarkten? Denn: Wollte der Gesetzgeber etwa bewusst die Vermarktung getrennt von der KWK-Förderung mit einer nur teilweisen Übergangsregelung beglücken, spräche einiges dafür, dass auch Altanlagen in die Direktvermarktung müssten, mit den eventuellen nachteiligen Folgen v.a. für wärmegeführte Altanlagen. Andererseits könnte man auch argumentieren, dass die Förderung des KWK-Stroms im alten Gesetz immer auch die Vermarktung mit einschloss und damit die Regelung zur Direktvermarktung nach § 35 Abs. 2 KWKG 2016 erst für neue Anlagen gilt..
Der Streit wird wohl hoffentlich bald entschieden. Bei den „großen Spielern“ der Branche steht es nach meiner Kenntnis gerade „2:1“: Becker Büttner Held argumentiert ebenso wie der VKU dafür, dass eine Direktvermarktungspflicht auch für Altanlagen gilt (zuletzt Herr Dr. Kachel in der aktuellen ENWZ 2016, Seite 51, Seite 53). Der BDEW und damit Herr Weißenborn erläutert im bereits im Dezember erschienenen Leitfaden zum neuen KWKG 2016, dass keine Direktvermarktungspflicht für Altanlagen besteht.
Bis dahin müssen Netzbetreiber und Anlagenbetreiber Lösungen finden, mit dem Problem möglichst pragmatisch umzugehen. Für alle Beteiligten lästig wäre nun eine Prozessflut zu diesem Thema. Meines Erachtens sollten hier einige wenige Musterprozesse ausreichen.
4. Betreiber von geschlossenen Verteilnetzen
Wenn es einen offensichtlichen „Verlierer“ der KWKG-Novelle gibt (eventuell neben den Altanlagenbetreibern…), dann sind dies die Betreiber von geschlossenen Verteilnetzen. Diese Netze, früher „Objektnetze“ oder „Arealnetze“ genannt sind vor allem solche, in welchen sich vorrangig Industrieunternehmen oder große Produktionsstätten befinden.
Derartige Netze sind durch eine Ausweitung der Definition des § 2 Nr. 21 KWKG des Netzbetreibers ein eben solcher im Sinne des Gesetzes, nach vorherrschender Meinung (ausgenommen Berliner Kommentar zum Energierecht) nicht aber Betreiber eines „Netzes zur algemeinen Versorgung“ nach § 2 Nr. 22 KWKG 2016 i.V.m. § 3 Nr. 17 EnWG. Das bedeutet, der Betreiber eines geschlossenen Verteilnetzes (BgVN) hat
- KWK-Anlagen in dessen Netz nach den Regelungen des KWKG unverzüglich anzuschließen,
- KWK-Strom aus den Anlagen unverzüglich abzunehmen,
- KWK-Zuschlag an den Anlagenbetreiber in seinem Netz zu zahlen,
- KWK-Strom von Anlagen unter 100 kW mit dem KWK-Index zu vergüten,
- vermiedene Netzentgelte auszuzahlen und
- am Wälzungsmechanismus mit den Übertragungsnetzbetreibern teilzunehmen!
Das heißt die BgVN haben richtig viel Arbeit geerbt. Als Ausgleich zu den Pflichten, sind die Rechte wenigsten stark beschnitten. Der BgVN…
- … erhält für dessen Anlagen oder den Strom, der innerhalb des geschlossenen Verteilnetzes verbraucht wird, wenn überhaupt, einen geringeren KWK-Zuschlag.
- …wird nicht mehr als „Letztverbraucher“ angesehen, wenn es um die Bemessung seiner KWK-Umlage geht. Vielmehr muss nun auf die Anzahl der abgenommenen kWh innerhalb des geschlossenen Verteilnetz eines Letztverbrauchers geachtet werden.
Ob hier die Übergangsregelung des § 35 Abs. 2 KWKG gilt und dies nur für neue Anlagen zutrifft, bezweifele ich. Zwar handelt es sich bei der neuen Definition um eine „Begriffsbestimmung“, aber eben nicht nur um eine solche der Förderung des KWK-Stroms eines Anlagenbetreibers… Das heißt meines Erachtens, dass die Regelung bereits seit 01.01.2016 von den BgVN umgesetzt werden muss.
Michael Hill
Rechtsanwalt und Mediator (DAA)
P.S.: Besuchen Sie uns auf einem unserer KWK-Seminare, z.B. am 31. Mai 2016 in Nürnberg für den VBEW
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