Am 10. November 2021 ist die Zweite Verordnung zur Änderung der Ladesäulenverordnung (LSV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Nach Art. 3 tritt die Neufassung in weiten Teilen am 1. Januar 2022 in Kraft. Nur die umstrittene Pflicht zur Ausstattung von neuen öffentlich zugänglichen Ladesäulen mit NFC- Lesegeräten für Debit- und Kreditkarten greift erst ab 1. Juli 2023.
Ein wesentlicher Punkt neben der Bezahlmöglichkeit ist die Neuregelung der Definition „öffentlich zugänglich“. Diese kommt wohl Tesla entgegen, die bisher durch Beschilderung die Zugänglichkeit auf Tesla-Fahrer beschränkt haben. Spannend bleibt die rechtliche Beurteilung, sollte Tesla wie angekündigt deren Supercharger für Fremdmarken öffnen.
Im Detail zu den wesentlichen Neuregelungen:
Was ist im Wesentlichen neu?
Neuregelung der Definition „öffentlich zugänglich“
Die für die Anwendbarkeit der LSV entscheidende Frage, ob ein Ladepunkt öffentlich zugänglich ist, hat der Verordnungsgeber in § 2 Nr. 5 LSV neu modifiziert. Bisher war ein Ladepunkt nach § 2 Nr. 9 LSV-alt öffentlich zugänglich,
„wenn er sich entweder im öffentlichen Straßenraum oder auf privatem Grund befindet, sofern der zum Ladepunkt gehörende Parkplatz von einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis tatsächlich befahren werden kann„
Das Kriterium der tatsächlichen Befahrbarkeit war dabei an sich bewußt gewählt, um Maßnahmen, die Fahrern von anderen Elektromobilen den Zugang zu verwehren, nicht ausreichen zu lassen, um die LSV nicht anwenden zu müssen. Faktisch hat Tesla deren – nicht LSV-konformen – Supercharger daraufhin flächendeckend mit Halteverbotsschildern für alle anderen Fahrzeuge außer Tesla versehen. Nur in Einzelfällen gab es eine mechanische Zugangsbeschränkung etwa über eine Schranke (so am Supercharger Beelitz). Es war bisher aber zweifelhaft, ob die öffentliche Zugänglichkeit allein durch die Beschilderung ausgehebelt werden konnte. Soweit ersichtlich ist der Zustand von den Behörden aber wohl geduldet worden.
Mit der Neufassung der LSV verankert die LSV jetzt die Möglichkeit, die öffentliche Zugänglichkeit durch eine Beschilderung zu vermeiden, indem in § 2 Nr. 5 LSV neu ein Halbsatz ergänzt wurde:
„es sei denn, der Betreiber hat am Ladepunkt oder in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Ladepunkt durch eine deutlich sichtbare Kennzeichnung oder Beschilderung die Nutzung auf einen individuell bestimmten Personenkreis beschränkt; der Personenkreis wird nicht allein dadurch bestimmt, dass die Nutzung des Ladepunktes von einer Anmeldung oder Registrierung abhängig gemacht wird“
Dies legalisiert die bisher von Tesla genutzte Möglichkeit, durch Beschilderung eine Anwendung der LSV zu vermeiden. Die Neuregelung gibt aber auch Aderen die Möglichkeit, Ladepunkte zu errichten, die nicht der LSV unterliegen, obwohl diese an sich von jedermann anfahrbar wären. Ein Mandant kann etwa die Neuregelung nutzen, um nicht der LSV unterliegende Ladepunkte für Mitarbeiter zu errichten, die auf von der Straße aus befahrbaren Parkplätzen angebracht werden sollen und die nicht jedermann zur Verfügung stehen sollen.
Interessant wird die Lage, wenn Tesla – wie derzeit in den Niederlanden als Pilotprojekt gestartet und an sich wohl weltweit beabsichtigt – die Supercharger für Fremdmarken öffnen will. Denn dann müssten entweder die Schilder entfallen oder wären nicht mehr zu beachten. In beiden Fällen dürfte die Argumentation gegen eine Anwendbarkeit der LSV auf die Tesla Supercharger nicht mehr möglich sein. Ob das dazu führt, dass Tesla in Deutschland die Öffnung nicht umsetzt oder ob Tesla den Konflikt mit der LSV sucht, bleibt abzuwarten. Für die Fahrer von Elektromobilen anderer Marken wäre es aber sicher ein herber Rückschlag, wenn die – eigentlich Ihrem Interesse dienende – LSV Ihnen den Zugang zu einem der größten Ladenetzwerke verwehren sollte. Und das auch noch in einer Situation, in der der Ausbau der Ladepunkte kaum mit dem Bedarf mitkommt. Es wird spannend, wie sich der mögliche Machtkampf zwischen Tesla und den Behörden entwickelt.
Vorgaben zu technischen Schnittstellen und zum Mess- und Steuerungsystem
Die LSV fordert für ab 1.3.2022 (§ 8 Abs. 3) in Betrieb genommene neue öffentlich zugängliche Ladepunkte zudem eine „standardisierte Schnittstelle (…), mithilfe derer Autorisierungs- und Abrechnungsdaten sowie dynamische Daten zur Betriebsbereitschaft und zum Belegungsstatus übermittelt werden können„. Diese Vorgabe ist sinnvoll, um den Belegungsstatus und die Betriebsbereitschaft von Ladepunkten etwa in der Rutenplanung über Apps oder im Fahrzeug vorab prüfen zu können und sehr frustrierende Erfahrungen mit belegten oder defekten Ladepunkten zu minimieren.
Ab 1.1.2022 greift grundsätzlich die Pflicht zur Ausstattung mit Smart-Meter-Gateways entsprechend der Vorgaben des EnWG und des MsbG. Letztere Pflicht besteht allerdings erst nach der Feststellung der technischen Möglichkeit durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nach § 30 MsbG, so dass in der Praxis noch nicht sicher ist, ab wann die Pflicht im Ergebnis gilt.
Anpassung von Fristen für die Anzeige von neuen Ladepunkten
Nach § 5 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 LSV-neu kann die Anzeige für neu errichtete Ladepunkte bei der Bundesnetzagentur künftig spätestens zwei Wochen nach Inbetriebnahme erfolgen. Bisher war eine Anzeige mindestens vier Wochen vor dem geplanten Beginn des Aufbaus erforderlich.
Ausstattung mit kontaktloser Zahlungsmöglichkeit
Wie erwähnt umstritten war die jetzt verankerte Pflicht, Ladepunkte ab dem 1. Juli 2023 mit einem „kontaktlosen Zahlungsvorgang mindestens mittels eines gängigen Debit- und Kreditkartensystems durch Vorhalten einer Karte mit der Fähigkeit zur Nahfeldkommunikation“ (§ 4 Satz 2 Nr. 2 b) LSV-neu) auszustatten.
Die Gegenargumente betrafen insbesondere die Kosten und das Vandalismus-Risiko Auch wenn die Mehrzahl der Ladevorgänge (noch) deutlich unter dem Limit für eine kontaktlose Zahlung ohne PIN sein dürfte, müssen die Betreiber dennoch ein PIN-Feld vorsehen. Denn zum Einen fordert die PSD2-Richtlinie auch bei Kleinbetragszahlungen nach einer gewissen Anzahl eine zusätzliche Authentifizierung per PIN, zum anderen ist zu erwarten, dass demnächst vermehrt E-Fahrzeuge mit sehr großen Akkus (bspw. der EQS mit einer netto-nutzbaren Kapazität von 108kWh oder der Rivian R1S/R1T mit einem Akku von bis zu 180 kWh) in Verbindung mit den steigenden Preisen je kWh auch bei einem einzelnen Ladevorgang Kosten von mehr als 50 EUR verursachen.
Welcher Kosten- bzw. Wartungsaufwand für die Ladepunktbetreiber durch die Vorgabe der LSV ab Juli 2023 entsteht und ob dies dann zu erhöhten Kosten für den Ladepunktnutzer führt, bleibt abzuwarten. Entschärft werden könnte die Problematik aus unserer Sicht durch eine Ausweitung der Ausnahme für unbeaufsichtigte Transit- und Parkautomaten auf (ggfs. unbeaufsichtigte) Ladepunkte. Ob diese aus unserer Sicht sinnvolle Erweiterung der Ausnahme europarechtlich realistisch ist, können wir jedoch nicht beurteilen. Derzeit müssen sich die Betreiber darauf einstellen, eine PIN-Eingabe zu ermöglichen und ggfs. dafür technisch sinnvolle Lösungen zu schaffen, die wenig Wartungsaufwand mit sich bringen und Vandalismus erschweren.
Eigene Bewertung
Die Änderungen bei der öffentlichen Zugänglichkeit ermöglichen mehr Flexibilität. Im Ergebnis dürfte ein Betreiber, der Ladepunkte nicht für die Allgemeinheit errichten will, durch die Beschilderung die Anwendbarkeit der LSV verhindern können. Angesichts dessen wäre es aber denkbar, ein einfaches Wahlrecht zu etablieren und das Kriterium der öffentlichen Zugänglichkeit aufzugeben. Dagegen könnte die Förderfähigkeit von Ladepunkten an die Anwendbarkeit bzw. Einhaltung der Vorgaben der LSV geknüpft werden. Das würde zwar eigene Ladesysteme für bestimmte Marken ermöglichen, aber das ist durch die Beschilderungslösung ohnehin faktisch der Fall – wie Tesla zeigt.
Die Detailänderungen etwa zur Schnittstelle machen ebenfalls Sinn, weil die Planbarkeit von Routen und die Information über Belegung bzw. Funktionsfähigkeit von Ladepunkten bei Elektromobilen deutlich wichtiger ist als bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen Informationen über die Tankstelle.
Auch die Vorgabe einer kontaktlosen Zahlungsmöglichkeit ist aus meiner Sicht sehr sinnvoll. Für die Wahrnehmung der Elektromobilität als taugliche Alternative auch für größere Entfernungen ist ein funktionierendes Ladenetzwerk essentiell. Das Gegenargument, viele Nutzer hätten vertragsgebundene Karten, überzeugt mich nicht. Denn der Umstand, dass es nötig ist, vertragsgebundene Ladekarten vorab zu organisieren, ist an sich schon nicht begrüßenswert und daher ist jede Maßnahme, die eine Notwendigkeit von Ladekarten relativiert, zu begrüßen. Dies gilt insbesondere für Fahrten ins Ausland. Nach eigener Erfahrung ist es im Ausland teilweise enorm schwierig, ad hoc Laden umzusetzen (wegen sprachlicher Hürden oder auch genereller technischer Schwierigkeiten) und offensichtlich haben die meisten Nutzer dann auch keine vertragsbasierten Ladekarten. Dem Autor selbst hat vor einigen Jahren in der Schweiz die Bezahlmöglichkeit per NFC-Kreditkarte das Laden ermöglicht und damit enormen Aufwand erspart. Aus Sicht des Autors sollte sich daher international die Bezahlmöglichkeit per NFC-Kredit/Debitkarte etablieren und Deutschland darf sich dabei nicht verweigern. Nur die nationalen User in den Blick zu nehmen und wegen angeblich national verbreiteter Nutzung von Ladekarten den (geringen) Aufwand für eine kontaktlose Bezahlmöglichkeit mit gängigen Debit- und Kreditkarten vermeiden zu wollen, ist aus Sicht des Autors nicht zu Ende gedacht.
Auch die Alternative, nur Smartphone-basierte Zahlungsmöglichkeiten zu fordern, die keine weitere Identifizierung benötigen (also auch kein PIN-Feld), wäre aus Sicht des Autors keine Alternative. Als zusätzliche Bezahlmöglichkeit macht das sicher Sinn. Sich darauf zu beschränken, würde aber User ohne Smartphone oder ganz simpel mit einem leeren Smartphone-Akku vor Probleme stellen. Gerade in der älteren Bevölkerung (die Eltern des Autors sind ein Beispiel) besitzt aber nicht jeder ein Smartphone bzw. kann mit Smartphone-basierte Zahlungsmöglichkeiten umgehen. Ich gehe davon aus, dass dies auch bis 2023 unverändert der Fall sein wird.
Daher ist die Pflicht zur Ermöglichung eines bargeldlosen Zahlungsvorgang durch kontaktlose Systeme zum Vorhalten einer Bezahlkarte eine für den Nutzer sehr sinnvolle Regelung. Wenn die Ausnahme in der PSD2 auf Ladepunkte erstreckt werden könnte, dürfte zudem auch das Argument von zusätzlichen Kosten und Aufwand durch die Wartung und Ersatz von PIN-Feldern entkräftet sein.