Energievertragsrecht: Kündigungs- und Lösungsklauseln mit Bezug auf Insolvenz unwirksam


Ein nun veröffentlichtes Urteil des BGH (AZ: IX ZR 169/11 vom 15. November 2012) legt fest, dass es künftig nicht mehr möglich sein wird, Lieferverträge seitens der Versorger zu kündigen, weil der Kunde in Insolvenz geht.

Bisher war es möglich und in der Rechtsprechung (z.B. OLG München) entsprechend abgesichert, dass eine Kündigung ausgesprochen wird, wenn z.B. ein Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt wurde oder ein Eröffnungsgrund (Überschuldung, etc.) objektiv gegeben ist und entsprechende Klauseln für ein solches Kündigungsrecht im Vertrag festgelegt wurden.

Dies ist nun nicht mehr möglich, da dies das Wahlrecht des Insolvenzverwalters unzulässig beschneiden würde, ob dieser den bestehenden Vertrag weiterführen will. Das bedeutet, dass Versorger künftig noch schneller bei Zahlungsrückstand kündigen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, dass der Kunde in Insolvenz geht und damit der Vertrag dauerhaft fortgeführt werden muss.

Argument des BGH war im vorgelegten Fall (Sachverhalt aus 2004) folgendes: Der Versorger hatte einen 1-Jahresvertrag, der sich automatisch verlängerte. Der Vertrag wurde in „Vor-Unbundling-Zeiten“ geschlossen. Durch den Wegfall des Ursprungsvertrages war der Insolvenzverwalter (nach Sachverhaltsausführungen) „gezwungen“ einen teureren Vertrag beim selben Versorger zu unterzeichnen, um den Kunden in vorläufiger Insolvenz weiter mit Strom versorgt zu bekommen. Der BGH nahm dies als Standardfall an und sagte, das Insolvenzverwalter könne nicht dazu gezwungen werden, regelmäßig einen teureren Vertrag zu Lasten der Masse unterzeichnen, sondern muss die Möglichkeit behalten, einen vermeintlich günstigeren Vertrag weiter fortzuführen.

Es entschied hier der 9. Zivilsenat, der regelmäßig wenig mit Energierecht zu tun hatte… Hätte der 8. Zivilsenat entschieden (der regelmäßig über energievertragliche Regelungen entscheidet), wären hier eventuell Aspekte des Wettbewerbs stärker berücksichtigt worden. Nicht unbedingt „muss“ der Insolvenzverwalter einen teureren Vertrag abschließen, zumindest nicht mit demselben Versorger.

Das Urteil gilt für alle Klauseln, die ein Lösungsrecht – entweder Kündigungsrecht oder automatische Lösung vom Vertrag – an den Insolvenzfall anknüpft.

Entsprechende Vertragsklauseln sind damit als unwirksam zu betrachten.

Hier der Link zum Urteil: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=63021&pos=6&anz=593

Michael Hill
Rechtsanwalt & Mediator (DAA)

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