Archiv der Kategorie: Energierecht

Preisbremsegesetze sind veröffentlicht! Zuteilung zur Notversorgung startet ab morgen!


München, 23.12.2022

Pünktlich zum Jahresende wurden die am 16.12.2022 vom Bundesrat verabschiedeten Gesetze zu den Strompreisbremse (unser Artikel hier) inklusive der Regelungen zur Erlösabschöpfung bei gewissen Stromerzeugern (insbesondere auch EEG-Anlagen – unser Artikel hier), Gas- und Wärmepreisbremsen (Artikel hier) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Neben den „Überschrifts-Themen“ sind noch weitere Regelung mit verabschiedet worden, wie die auf den 28.02.2023 befristete Notversorgung aber auch neue, befristete, höhere Anforderungen an die Sperrung von Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung (§ 118b EnWG).

Folgen Sie gerne den Links im Text oben zu detaillierteren Darstellungen zu den Themen.

Neue Anforderungen an Sperrung bei Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung

Bei den Anforderung an die Sperrung von Haushaltskunden (alle Privatkunden sowie diejenigen Gewerbe-, Handel- oder sonst unternehmerischen Kunden bis zu einer Jahresabnahmemenge von 10.00 kWh) wurde bis 30.04.2024 festgelegt, dass diese Versorgungssperren an ähnlich intensive Voraussetzungen geknüpft sind, wie in der Grundversorgung. Das heißt, es bedarf bspw. einer Prüfung, ob der Rückstand mehr als das doppelte der laufenden Abschlagszahlungen offen sind, mindestens 100 € geschuldet werden und es muss seine „Abwendungsvereinbarung“ (inkl. zinsfreier Tilgungsplan) vorgeschlagen worden sein. Bei Abschluss einer Abwendungsvereinbarung darf nicht mehr gesperrt werden. Zudem muss der Versorger auf die staatliche Unterstützung oder ggf. auch auf örtliche Hilfsangebote hingewiesen werden muss. Auch muss die Sperrung dann acht Tage vor Durchführung angekündigt werden (per Brief und „nach Möglichkeit“ in Textform, also Mail).

Einschätzung hierzu

Ob der Abschluss eines Tilgungsplans trotz ggf. nachweisbarem Unvermögen der Zahlung ggf. einen Betrug darstellen kann, werden dann die Gerichte prüfen. Aber „spannend“ ist das allemal. Die Umsetzung wird einige Versorger über Weihnachten viel Zeit und Geld kosten.

Regelungen zur Entlastung von Krankenhäusern wegen erhöhten Strom- und Gaspreisen

Auch mit den Gesetzen gekommen, ist die Regelung, dass Krankenhäuser (deren Abnahmen werden unabhängig von deren Entnahmemenge in den Preisbremsen für große Abnehmer einsortiert) und gewisse weitere Einrichtungen einen Zuschuss in Höhe von 95 % der Energiemehrkosten im Vergleich der Jahre 2021 und 2022 erhalten. Bei einigen ist der Zuschuss aber auf 20 % dieser Menge gedeckelt (siehe Krankenhausfinanzierungsgesetz, SGB IX und SGB XI im Paket zum Gas- und Wärmepreisbremsengesetz).

Jahresende-Rallye ist geschafft

Wir wünschen Ihnen, den geneigten Leser*innen und Mandant*innen, ein frohes Fest und einen guten Übertritt ins neue Jahr 2023, das uns viel Arbeit bringen wird, denn dann wird gebremst (der Preis) und beschleunigt (der EE-Zubau und die Wasserstofferzeugung). Ich hoffe, dass uns das Gas und der Strom für den Winter ausreicht, aber bei den heutigen, frühlingshaften Temperaturen in München, bin ich zuversichtlich. Bleiben Sie gesund!

Michael Hill
Partner

Gesetz zum Neustart der Energiewende


Um was geht es?

Bislang war der Rollout intelligenter Messsysteme (Smart Meter) noch hakelig. Das 2016 eingeführte Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) hat insoweit den gewünschten Erfolg, die Digitalisierung der Energieversorgung voranzubringen, nicht erreicht. Das soll sich jetzt ändern. Dazu hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen Gesetzentwurf zum Neustart der Digitalisierung in der Energiewende (GNDEW) vorgelegt, der den Rollout intelligenter Messsysteme beschleunigen und vereinfachen soll:
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/neustart-der-digitalisierung-der-energiewende.html

Was soll sich ändern?

Der Gesetzentwurf sieht einige Änderungen vor, die durchaus das Potenzial haben, den Rollout intelligenter Messsysteme zu vereinfachen und zu beschleunigen. Z. B. die Anpassung von Preisobergrenzen i. V. mit anteiliger Kostenübernahme der Netzbetreiber und Bürokratieabbau, z. B. bei der sog. „Markterklärung“ und Vereinfachung der Lieferketten.

Gibt es auch Kritik?Was könnte das BMWK verbessern?

Ja, wengleich die Vereinfachungen im Gesetzesentwurf aus meiner Sicht grundsätzlich zu begrüßen sind, gibt es durchaus noch Verbesserungsbedarf, z. B. beim Investitionsschutz für die bereits verbauten Messsysteme. Ausführlich dazu siehe die Stellungnahme des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft e. V. (bne) vom 14. Dez. 2022:
https://www.bne-online.de/de/news/detail/bne-stellungnahme-gesetzentwurf-neustart-der-digitalisierung-der-energiewende/

Ein weiteres wichtiges Thema ist die schwierige und immer noch sehr aufwendige Zertifizierung der intelligenten Messsysteme. Der bne spricht diese Problematik in seiner o. a. Stellungnahme, an der wir bei Ensight insoweit auch mitgewirkt haben, ebenfalls an (s. S. 8 ff).

Derzeit verlangt das BSI die Prüfung der intelligenten Messysteme gem. der hoch sicheren EAL-Stufe 4+ der international anerkannten Regeln für IT-Sicherheitszertifizierungen, der „Common Criteria“. Der Aufwand und die Prüftiefe bei dieser Sicherheitsstufe sind allerdings sehr hoch, die Evaluierung erfordert hier u. A. auch die Inspektion des Source Codes, was tiefgehende Programmierkenntnisse des Evaluators voraussetzt und viel Aufwand mit sich bringt. Dadurch sind die Kosten für die Zertifizierung oft sogar höher als die technische Entwicklung des Devices selbst. Aus meiner Sicht wäre allerdings die niedrigere EAL-Stufe 2 nach den Common Criteria ausreichend für intelligente Messsysteme, insbesondere eine Prüftiefe bis auf Source Code Niveau erscheint angesichts der verarbeiteten Daten (die nicht zum Bereich der sensiblen Daten gem. Art. 9 DSVGO gehören), nicht als angemessen und trägt dem Zweck des Gesetze nicht Rechnung, die Digitalisierung im Strommarkt so schnell wie möglich voran zu treiben.

Gerold Hübner
Rechtsanwalt | Of Counsel

Nun doch: Entlastungen in Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse, etc. werden an Bonizahlungen für die Unternehmensleitung geknüpft


Ingolstadt, 13.12.2022

Die Nachricht hat mich aus dem Autositz gerissen, als ich heute (natürlich elektrisch) in die Arbeit fuhr: Die Ampelkoalition hat sich offenbar darauf geeinigt, dass die Zahlung von Entlastungen aus der Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse sowie Dezembersoforthilfe und auch Energiekostendämpfungsprogramm (sog. „Entlastungssumme“) ab 25 Mio. € eingeschränkt und ab 50 Mio. € ausgeschlossen sind, wenn die Geschäftsleitung und Aufsichtsräte nicht auch Bonuszahlungen verzichten. Bei einer Entlastung über 50 Mio. € soll auch die Zahlung von Dividenden ausgeschlossen sein. Das berichtet zumindest Spiegel und Handelsblatt (siehe Bericht bei tagesschau.de). Der Entwurf des angepassten Gesetzes liegt uns aktuell noch nicht vor.

Bei einem Entlastungsbetrag ab 25 Mio. € bis 50 Mio. € „dürfen Bonizahlungen für 2023 nicht angehoben werden“. Betroffen ist die „Geschäftsleitung“, was im Ergebnis wohl wie beim EKDP zu verstehen ist, also sämtliche Führungspersonen erster Ebene (Vorstände und Geschäftsführung) zu verstehen sein wird. Laut Bericht des Spiegel sollen auch Aufsichtsräte betroffen sein. Was die „Anhebung“ genau bedeuten soll, wird sich wohl auch erst im konkreten Gesetz nachlesen lassen.

Bei einer Entlastung (Entlastungssumme) über 50 Mio. € soll sodann die Bonuszahlung komplett entfallen und auch keine Dividenden mehr an die Aktionäre ausgeschüttet werden.

Weitere Anforderungen an Entlastungen über 2 (!) Mio. €

Die Regelungen sind in dieser Form nicht auf europarechtlichen Beihilferegelungen basierend und betreffen nur die BRD. Weder der europäische „Befristete Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ (hier, Verlängert bis 31.12.2023, hier) noch der deutsche „BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen“ oder auch andere europäische Regelungen verlangen den Verzicht auf Boni bei der Unternehmensleitung oder gar die Dividendenausschüttung zur Inanspruchnahme der Entlastungen.

Unternehmen, die eine Entlastung über 2 Mio. € (auch hier der „Entlastungssumme“) erhalten wollen, müssen nach dem ersten Entwurf, basierend auf europarechtlichen Grundlagen, bereits nachweisen, dass sie entweder

  • „besonders betroffen von den hohen Energiekosten“ (nachzuweisen anhand der Unternehmensergebnisse),
  • „Energieintensiv“ (Nachweis über Kostenanteil der Energie am Produktionswertes oder Umsatz)
  • „Liste der Anlage 2“-Branchenunternehmen (europäische Beihilfe-Anspruchberechtigte nach der Klima-, Umwelt und Energiebeihilfe Leitlinie: „besonders von hohen Energiepreisen betroffene Sektoren“) sind und, dass
  • die Entlastungen nicht zu einer Erhöhung des EBITDA über 70 % des EBITDA im Jahr 2021 führt, sowie,
  • dass die Entlastungssumme nicht mehr als einen bestimmten Prozentsatz der „krisenbedingten Energiemehrkosten“ überschreiten darf.

Da das noch nicht ausreicht, muss das Unternehmen, das mehr als 2 Mio. € Entlastung erhält, auch noch eine Arbeitsplatzgarantie für 90 % der Mitarbeiter abgeben.

Dazu nun noch die Bonuseinschränkungen bzw. der Dividendenausschluss ab 50 Mio. € Entlastungssumme.

Da sich diese Grenzen im Ergebnis über den gesamten Entlastungszeitraum (also seit Geltung des EKDP bis Ende der Preisbremsen) ziehen soll, ist zudem für die Unternehmen heute noch nicht absehbar, wie hoch deren konkrete Entlastung ist…

Persönliche Einschätzung und „Gefühlslage“ des Verfassers

Meines Erachtens ist dieser Schritt nun eine Zumutung. Die Unternehmensführung ist am Ende auch diejenige, die über den Verbleib, großer energieintensiver Unternehmen in Deutschland entscheiden. Diese müssen nun ja bereits deren individuelle Belastungen aufgrund der hohen Energiekosten belegen (was auch Folge der deutschen Erzeugungsstrategie ist). Der „Anreiz“ die Produktionsstätten auch ins nicht europäische Ausland zu verlagern, wird täglich größer. Schließlich stellt sich nun die Frage, wie die konkrete Ausgestaltung der Regelung ist und ob es hier nicht arbeitsrechtliche Lösungen gibt.

Da zudem der Anwendungsbereich der Entlastungen auch für das Jahr 2024 offen ist, ist die Auswirkung auf die Dividenden und Bonuszahlungen offen. Diese Auswirkung auf den Börsenwert er Unternehmen ist daher ebenso zu erwarten. Ggf. ist die Geschäftsleitung zum Schutz des Unternehmens zu gewissen Entscheidungen gezwungen.

Michael Hill
Partner