Die Kanzlei hat erfolgreich für eine Mandantin einen Erstattungsanspruch wegen überhöht geltend gemachter Anwaltsgebühren durchgesetzt. Das OLG München hat in letzter Instanz den Anspruch mit deutlichen Worten zugesprochen. Es lohnt sich daher, die Gebührenforderung generell zu überprüfen und nicht immer widerspruchlos zu akzeptieren.
Worum ging es in dem Fall?
Die Mandantin war gegenüber einem Netzbetreiber in Verzug geraten. Dieser beauftragte einen Anwalt, der mit einem (einzigen) Schreiben die Forderung anwaltlich anmahnte, für den Fall der Nichtzahlung eine Netzsperre androhte und zudem zur Begleichung der Kostennote als Verzugsschaden aufforderte.
Soweit so gut. Und bisher ein Standardfall. Was den Fall aber dann doch besonders machte, war zum einen die Höhe der geltend gemachten Gebühren und die Reaktion der Gegenseite. Denn der Anwalt des Netzbetreibers machte als Verzugsschaden nicht eine Angelegenheit, sondern gleich zwei geltend – einmal für die Mahnung, einmal für die Drohung mit der Netzsperre. Zudem setzte der Anwalt ohne Begründung jeweils eine 1,5 Geschäftsgebühr an.
Die Mandantin zahlte (ohne vorherige anwaltliche Beratung) wegen der angedrohten Netzsperre das Honorar inklusive Umsatzsteuer. Nach unserer Beauftragung forderten wir die Überzahlung des vermeintlichen Verzugsschadens zurück und teilten dem Anwalt mit, dass nur eine Angelegenheit vorläge und nur eine 1,3 Geschäftsgebühr berechtigt sei. Selbstverständlich sei die Umsatzsteuer kein Schaden und daher die Zahlung insoweit ebenfalls zu erstatten.
Die Reaktion des Anwalts auf der Gegenseite war erstaunlich. Nicht nur verteidigte er mit vehementen Worten seine Abrechnung, nein, er drohte für den Fall, dass wir an den Rückforderungsansprüchen festhalten, sogar an, einen noch höheren Verzugsschaden auf Basis eines (abwegig) höheren Gegenstandswerts zu fordern. Allein die Umsatzsteuer würde er erstatten, wenn wir ansonsten die Abrechnung akzeptieren würden…
Diese Verhaltensweise ist natürlich nicht in Ordnung (hat das OLG München auch mit deutlichen Worten so festgestellt). Es ging darauf zu Gericht, zunächst zum LG Deggendorf (Az. 23 O 429/17). Die Klage richtete sich gegen den Netzbetreiber, da die Mandantin auf dessen Verzugsschadenersatzanspruch überzahlt hatte. Das LG erkannte auf eine Angelegenheit und nur eine 1,3 Geschäftsgebühr und sprach damit den Anspruch im Wesentlichen zu. Die angedrohte weitere Forderung hatten wir mit negativer Feststellungsklage angegriffen und bekamen diese auch zugesprochen. Schon in erster Instanz argumentierte der Anwalt, den die Klage wohl wirtschaftlich betrifft, abwegig und berief sich u.a. erfolglos auf eine These, nach der Energierecht immer schwierig sei und damit immer eine 1,5 Gebühr rechtfertigt.
Interessanterweise ging die Beklagte in Berufung, die vom OLG München (Az. 3 U 376/19) aber zurückgewiesen wurde. Dies gab dem OLG München die Möglichkeit, sich zu dem Verhalten des Anwalts zu äußern. Einige Passagen sind für ein Urteil so bemerkenswert, dass Sie hier wiedergegeben werden sollen:
„Zudem hält das [von dem Anwalt des Netzbetreibers] viel zitierte Gebot des Art. 103 Abs. 1 GG die Richter nicht dazu an, auch zu fernliegenden und zu juristisch abwegigen Auffassungen Stellung zu beziehen (…), und dieses kann, dem Wesen eines Zivilprozesses gemäß, insbesondere dann nicht verletzt sein, wenn einer Partei das „Rechthaben“ vom Gericht nicht attestiert wird.“
oder
„Erhält die Beklagte eine Gebührennote für die Tätigkeit des von ihr beauftragten Anwalts, so ist damit der Schadensumfang konkretisiert; das Drohen mit einer nachträglichen Gebührenerhöhung und zwar, ohne dass der Beklagten gegenüber die vermeintlich höheren Gebühren abgerechnet werden, sondern dies nur gegenüber der Klägerin für den Fall der „Renitenz“ gegenüber der aktuellen Forderung, geht nicht an (…)“
oder
„Die Apotheose des Energierechts zur „schwierigen Spezialmaterie“ mag im Einzelfall eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus begründen, nicht aber in diesem offensichtlichen Standardfall“
oder
„Die Klägerin hat insoweit vorgetragen: „Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten arbeitet offensichtlich rechtsfehlerhaft mit einer sehr eigenen – für den Mandanten teuren, aber ihn sehr günstigen – Auslegung des Gebührenrechts“; der Senat enthält sich diesbezüglich einer über den Einzelfall hinausreichenden Bewertung.“ (mit anderen Worten: In dem Einzelfall war es jedenfalls so).
Fazit:
Auch wenn der eigene Mandant mit einer Forderung in Verzug ist und daher dem Grunde nach Anwaltsgebühren des von dem Gläubiger beauftragten Anwalts als Verzugsschaden zu erstatten hat, lohnt sich eine Überprüfung der Höhe. Eine Drohung mit einer Konsequenz führt dabei nicht zu zwei Angelegenheiten. Zudem ist eine Gebühr über 1,3 hinaus nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt (und voll gerichtlich überprüfbar) – dass Energierecht eine Rolle spielt, rechtfertigt nicht automatisch eine höheren Gebühr. Und natürlich besteht bei Vorsteuerabzugsberechtigung des Gegners kein Schaden in Höhe der Umsatzsteuer…